Wer einen realistischen Eindruck vom Zustand Österreichs gewinnen möchte braucht das Land bloß
mit dem Zug zu durchreisen - die freiwillig und halbfreiwillig geführten Gespräche in den
Railjets und Speisewägen der Nation geben einen tiefen Einblick in die hiesige Verfasstheit
die zwischen »Fernsehkaisern und Kurzschlusskanzlern « kaum unterscheiden zu können
scheint.Eine solche Tour de force unternimmt Markus Köhle mit viel Sprachwitz in seinem
Romandebüt in dem er seinen aufmerksam registrierenden Protagonisten Lukas auf seinen
Zugreisen durch die Bundesländer den großen Themen unserer Zeit begegnen lässt: Deutlich zu
spüren ist da das »Stadt-Land-Kluft-Schlamassel« die sture Ignoranz gegenüber der nötigen
Veränderung (»die Füße schischuhschwer aber die Nase immer oben«) ein bestenfalls halbes
Bewusstsein von Überalterung und Pflegenotstand und natürlich eine große Unlust sich mit all
dem ernsthaft auseinanderzusetzen.Für Lukas der als freiberuflicher Texter ein offenes Ohr für
die Problematik und sprachliche Wirklichkeit all dessen hat kommt es aber noch schlimmer: Denn
was im Argen liegt hat auch noch mit ihm persönlich zu tun. Das begreift er spätestens dann
als sich der Bürgermeister seines Tiroler Heimatdorfes meldet um ihm - gut österreichisch
kuhhandelnd - einen Literaturpreis im Tausch gegen eine literarische Lobeshymne auf sein
Fleckchen Muttererde zu 'verleihen'. Da Lukas den Auftrag nicht ausschlagen kann mischt sich
zu den Konversationen im Zugabteil nun noch die mémoire involontaire einer Jugend am Land mit
all ihren Senken und Tiefen unerfüllter Liebe Sehnsucht und unentrinnbarer
Kleingeistigkeit.Zur Wehr setzen kann er sich mittlerweile aber doch: Wir reisen mit ihm nicht
nur der Preisverleihung und Gemeindelesung entgegen sondern auch dem literarischen
Befreiungsschlag gegen die Zustände. Ob er gelingen kann? »Das geht sich aus weil Österreich
auch Schönred- Ausreden- und Wurschtlweltmeister ist. Ja in Österreich ist sich - über Kurz
oder Ibiza - noch immer alles ausgegangen.«