arbeit ein uraltes viel merkwürdige seiten darbietendes wort.So steht es bereits im 1854
erschienenen ersten Band des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm - und für die Gegenwart
trifft diese Diagnose in besonderem Maße zu: Heute liegt die letzte bedeutsame Senkung der
Normarbeitszeit fünfzig Jahre zurück. In diesem halben Jahrhundert ist jedoch die
Arbeitsproduktivität auf das Zweieinhalbfache gestiegen. Was eine Person früher in zweieinhalb
Tagen geschaffen hat schafft sie jetzt an einem. Das ist der Mittelwert der
Produktivitätssteigerung über alle Branchen gesehen vom Industriearbeiter bis zur Lehrerin und
zum Krankenpfleger. Die Normarbeitszeit ist davon vollkommen unberührt bei vierzig Stunden
geblieben. Warum eigentlich?Eine ähnliche Diskrepanz wird deutlich betrachtet man die großen
Staatsziele in der Europäischen Union. Staatsziel eins: Alle arbeitsfähigen Personen sollen in
Vollzeit beschäftigt sein. Staatsziel zwei: Die Erderwärmung soll enden. Diese beiden Ziele
sind offenkundig miteinander nicht vereinbar.In Sven Hartbergers Erzählung Mallingers Abschied
sind es exakt diese Fragen - und ihre bedrückenden Auswirkungen auf die Lebensrealität
unzähliger Menschen - die einen Therapeuten dazu veranlassen der Frage nach dem Leiden an der
Arbeit auf den Grund zu gehen. Auf der Suche nach einer möglichen gesellschaftlichen Therapie
versammelt er unterschiedlichste Stimmen und Erzählungen um einen Befund der gegenwärtigen
Situation zu formulieren. Behilflich ist ihm ein befreundeter Ökonom: Dem Doktor Mallinger
scheint die Welt gerade so wunderlich wie er der Welt. Er weiß für welches der beiden
unvereinbaren Ziele sich die Welt entscheiden wird und er weiß auch warum weiterhin so viel
und immer mehr gearbeitet werden muss. Nutzloses Wissen so lange der bedingungslose Glaube an
die Macht nicht aufhört die mit dem Versprechen unbegrenzter Freiheiten auf einen Weg leitet
der immer mehr Arbeit erzwingt und so die verderbliche Spirale immer weiter dreht. Die
Erzählung Mallingers Abschied setzt den ziellosen Irrungen der Arbeitsgesellschaft den Versuch
der Orientierung an den Forderungen von Kultur und Humanität entgegen.