Jene drei Jahrzehnte die zwischen dem Erscheinungsjahr des als Höhepunkt im Werk von Jurij
Brezan angesehenen Krabat-Romans 1976 und Brezans Tod 2006 liegen bildeten bislang eine nur
sehr lückenhaft erforschte Periode seiner literarischen Biographie. In welche Richtung hat das
Werk des sozialistisch gesinnten Prosaisten evolviert? In der DDR-Zeit mit mehreren Preisen
ausgezeichnet als erfolgreicher Schriftsteller und engagierter Kulturschaffender gefeiert
konnte Brezan nach dem Erscheinen des Romans Krabat oder Die Verwandlung der Welt nur ein
relativ gemäßigtes Interesse an den darauffolgenden Büchern verzeichnen und geriet daraufhin
allmählich in Vergessenheit. Obwohl Brezan während seiner schriftstellerischen Laufbahn zu fast
jedem sorbischen Buch auch die deutschsprachige Version verfasste und die meisten seiner
letzten Texte nur in deutscher Sprache schrieb wird sein Werk derzeit paradoxerweise kaum
anders wahrgenommen als das eines Sorben der nur noch die sorbischen Rezipienten ansprechen
könne. Am Schriftsteller dessen Romane in 25 Sprachen übersetzt wurden und seinerzeit in
mehreren Auflagen Tausende Leser erreichten haftet heutzutage das Etikett eines regionalen
Erzählers. Umfassende Romane und Erzählungen scheinen heute weniger zu wiegen als seine Bücher
für die jüngsten Leser weswegen er wenn überhaupt - wie er nicht ohne Verbitterung bemerkte -
breiteren Leserkreisen lediglich noch als Kinderbuchautor bekannt ist. Vor diesem Hintergrund
verfolgt die vorliegende Studie das Ziel die 1976 ansetzende reife Schaffensphase im Werk des
größten epischen Chronisten der Sorben zu untersuchen und die Aktualität und Universalität der
von ihm aufgegriffenen Themen und Motive zu hinterfragen.