Hanna Wallenberg ist lebensfroh und ungebärdig fröhlich und frech verletzlich liebevoll und
witzig. Ein ganz normales Mädchen von 14 Jahren - oder ganz normal doch nicht in Potsdam
gleich nach dem Ersten Weltkrieg. Ihr Temperament bringt die Erwachsenen schier um den Verstand
ihr Eigensinn die Streiche und ihr hellwacher Geist der sie nicht eben in die Schule drängt
aber blitzschnell Szenarien entwerfen läßt gegen die Zumutungen des Lebens etwa wenn sie
ausgeschickt wird knixbrav Einladungen zu Mutters Damenkränzchen zu überreichen. Der
autoritäre emotionsarme Vater die verhuschte kränkliche Mutter auch sie werden aus dieser
Pensionsgeschichte verändert hervorgehen von der gestanzten Lehrerin die dem Mädchen den
Schimpfnamen Hänschen Tunichtgut übergestülpt hat ist dann keine Rede mehr. Hanna Wallenberg
kehrt nach einem Jahr im Hühnerstall der Mädchenpension im schlesischen Riesengebirge gereift
zurück zu ihren Eltern reicher geworden an Erlebnissen und Erfahrungen gebildeter sanfter
selbstbewußter. Geläutert nicht gebrochen. Else Ury gibt ihren jungen Leserinnen die
vorbildhafte Hoffnung mit auf den Weg daß Hänschen sich nicht damit begnügen wird als brav
duldsames nützliches Mitglied der Gesellschaft ein unauffälliges Dasein zu fristen wie es sich
die Eltern und die Lehrerin anfangs vorgestellt haben. Hanna ist eine begabte Zeichnerin damit
könnte sie auch ihr Leben gestalten und die Eltern die eben noch in ihr bestenfalls die wilde
Hummel gesehen haben werden sie brauchen das heißt ihr Verantwortung übertragen und ihr
achtungsvoller begegnen müssen. Nicht wenige Mädchen werden sich in dieser Hanna wiedergefunden
haben. Das Weltbild der Else Ury kennt keine Umbrüche die Welt ist fest gefügt und wird durch
den Alltag des Lebensglücks und überschaubare Konflikte in Bewegung gehalten. Die
Schriftstellerin will die Gesellschaft nicht ändern sondern Mut machen insbesondere den
Mädchen sich in sie einzufügen - eben in die Gesellschaft und nicht nur in eine
rundumversorgende Ehe. Alle ihre jungen Heldinnen reifen an Bildung an Zuwendung durch
Erwachsene und gleichaltrige Freunde und immer auch durch eigene Einsicht und zielstrebiges
Handeln. Hanna Wallenberg wird von Else Ury ein Jahr lang begleitet. Alles bleibt offen am
Schluß nur der Leser weiß welche Zeiten folgen werden mit Inflation politischer
Radikalisierung und Diktatur. Else Ury wurde am 1. November 1877 in der Berliner
Heilig-Geiststraße als Tochter frommer jüdischer Eltern geboren. Bereits als Schülerin schrieb
sie gern Aufsätze und Verse. Nach der Schule blieb sie bei den Eltern wohnen neben der
Hausarbeit schrieb sie Geschichten für die Sonntagsbeilage der Vossischen Zeitung. 1905
erschien im Berliner Globus-Verlag ihr erster Erzählband: Was das Sonntagskind erlauscht. Um
1913 eröffnete sie mit Nesthäkchen und ihre Puppen ihre Erfolgsreihe. Zwischen Nesthäkchen
fliegt aus dem Nest (1920 21) und Nesthäkchen und ihre Küken (1923) erschien Hänschen
Tunichtgut das nun erstmals nach fast 100 Jahren in einer Neuausgabe vorliegt. Etwa zur
gleichen Zeit hatte Else Ury das schlesische Riesengebirge als Reise- und Erholungsziel
entdeckt 1926 konnte sie in Krummhübel (Karpacz) ein Sommerhaus erwerben. 1935 wurde Else Ury
aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. Enteignet und entrechtet als Jüdin nach dem
Suizid des Lieblingsbruders Hans der Emigration von Familienangehörigen und dem Tod der Mutter
blieb Else Ury allein in Deutschland zurück. Am 6. Januar 1943 wurde sie zur
Deportationssammelstelle Große Hamburger Straße 26 gebracht am 13. Januar im Vernichtungslager
Auschwitz ermordet.