Ida von Plessen (Dresden 1800) ist der zuletzt veröffentlichte von drei Rügen-Romanen des
Schriftstellers und Pfarrers in Altenkirchen auf Wittow Rügen Ludwig Gotthard Kosegarten
(1758-1818). Das Buch erschien im selben Jahr wie Heinrich von Ofterdingen der Schlüsselroman
der Frühromantik des vierzehn Jahre jüngeren Dichters Novalis (Friedrich von Hardenberg
1772-1801). Kosegarten zitiert darin Novalis' programmatische Sätze zur Frühromantik
allerdings ohne deren Verfasser zu offenbaren: Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns
oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten die Vergangenheit und die Zukunft [...] (S.
251). Das war auch Kosegartens tiefe ästhetische Überzeugung. Zur Rezeption des Romans ist
wenig bekannt aus Positionen der Spätaufklärung heraus wurde Ida von Plessen verrissen.
Weitere Auflagen nach der Erstausgabe hat es nicht gegeben.Der mit dem Einstieg in die
Beamtenkarriere unerwartet zu einigen freien Tagen gekommene und zu einer Reise ins Eldorado
unsrer kindischen Schwärmereyen und unsers jugendlichen Ahnens aufgebrochene Legationssekretär
Edmund erkennt in der Natur Rügens zunächst lediglich ein in Dunst und Nebel schwimmendes Chaos
von See und Land sich krümmenden Ufern und hervortretenden Uferspizzen. Seine Sehnsucht gilt
unausgesprochen Italien dem lauen Süd wo die Pinie flüstert Die Myrthe düstert [...] aber
des Schicksals strenger Sinn zwingt ihn zum rauhen Nord Auf finstern Meeren [...]. In
Kosegartens klagendem Wohin wohin? klingt Goethes Antwort mit das Kennst du das Land wo die
Zitronen blühn [...] Dahin! Dahin Möchte' ich mit dir o mein Geliebter ziehn! im Gesang
der Mignon in Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795 96). Verliebt ist Edmund auch sterbens verliebt
gar. Wie die Freunde als Adressaten des Briefes wissen ist er das stets und ständig diesmal
nun in die Ströme der edlen de la Mothe Gujon philosophische Texte also der französischen
Mystikerin.Erst in der Morgenröte des Tages vor seiner Begegnung mit der hochadligen Ida von
Plessen empfindet Edmund die Herrlichkeit Rügens: Sie kam die königliche Sonne. Entzückung
schauerte durch das Herz der Natur. Am Kap Arkona feyerte die triumphirende Lerche die
Wiedergeburt des Jahres und der Erde. Doch bereits in dieses berauschte Empfinden der
Naturschönheit düstert die Katastrophe. Am sagengeschwärzten See umkränzt von einem Wulste
dichtbewaldeter Berge ergreift ihn das kalte Grauen. Noch einmal werden seine in Julies des
Försters Tochter Arme sinken die haltlosen Anker zweier Einsamer. In der nächsten Morgenluft
wird er aufbrechen zu Arkonas uferlosem Ausblick und auf dem übergüldeten Erdwall endlich Ihr
begegnen. Indem seine Augen die grenzenlose Landschaft zu umfassen suchen findet er sie die
hohe edle Gestalt mit Raphaelischen Gesichtslinien. Ihr Ort: hart am Abgrund wo mit Noth zween
Menschen neben einander stehen können. In diesem Bild ist vorweggenommen daß sie dort wo die
vielen Menschen nebeneinander bestehen könnten niemals ankommen werden.Ja wahrlich nur am
Busen der Einsamkeit stillt sich das sehnsüchtige Herz das mitten in den gesalznen Fluthen der
herz- und geistlosen Menge Gefahr läuft zu verdursten.Wenn jene glückliche Verschmelzung der
Natur und des Geistes woraus die ästhetische Stimmung hervorgeht den mit sich entzweyten
Menschen am leichtesten herstellt und Ebenmaas und Harmonie in seine streitenden Triebe bringt
wenn nun eine zweckmäßige Kunstbildung unser verborgenes Naturganzes vor uns aufschließt und
uns zum unumschränkteren Besitz und freyeren Gebrauch unsrer Kräfte verhilft so frage ich
abermal ob Naturen dieser Art in unserm bürgerlichen Leben überflüßig seyn oder ob nicht
grade sie es sind die gleich lebendigen Winden den stehenden Sumpf der Gesellschaft vor der
Fäulniß retten?Mit dieser hier vorliegenden Neuausgabe nach mehr als zweihundertzwanzig Jahren
- nach den Poesieen Erster Band (2021) die zw