Also das Einzige was noch möglich ist heute nach all dem Wahnsinn sind Irrenromane! stellt
der Erzähler apodiktisch fest. Nach dem Tod seiner Mutter der ihn völlig aus der Bahn geworfen
hat hält er sich als Freigänger in einer psychiatrischen Anstalt auf wo er in einem manischen
Schreibprozess versucht dem zersplitterten Bewusstsein seiner selbst auf den Grund zu gehen
indem er seine ihm mittlerweile abhandengekommene Lebenswelt in den Zeilen auf dem Bildschirm
des Laptops wirklich also Text werden lässt: Und jede schöne alte Erinnerung samt den Gedanken
dazu mit ihrer Langsamkeit ist jetzt nur noch im Buch geborgen und zusammengeführt. Was suchst
du da? Erleuchtung? Berührung? Dass das Wirkliche identisch sei mit dem Geschriebenen? Der
abgespaltene Teil seines Ich das früher am Leben teilhatte darüber hinaus aber auch die
Gegenwart des Erzählers in der Anstalt mitbestimmt nennt er Michael Terplan: Und dann sagte
mir Terplan es sei schon so ich solle nicht erschrecken er sei ja ich wenn er da sei aber
es sehe ihn niemand nur ich nun ja er sei einfach ein Gespenst meiner Erinnerung ... mein
wichtigstes Gespenst ... aus der Zeit als es mich noch gab. Um Gespenster jedoch handelt es
sich in den hier evozierten Erinnerungen keineswegs es gibt da keine Spukgestalten sondern
nur die Stimmen all der Toten die Terplan als nahe Verwandte und Freunde auf seinem Lebensweg
begleitet haben und ihm nun wieder - voraussichtlich zum letzten Mal - im wahrsten Sinne des
Wortes durch den Kopf geistern: Praeterita mutare nemo potest ... Aber vielleicht stimmt der
Spruch gar nicht: Was vergangen ist kann auch heute noch verändert werden denn sie sind da
und wenn sie nicht tot sind kann auch die Vergangenheit nicht vergangen sein. Auch deshalb bin
ich von diesem Experiment fasziniert die Vergangenheit darf wie die Zukunft nicht vergangen
sein. Und so bricht er vom Klinikpersonal argwöhnisch beäugt Tag für Tag unverdrossen auf um
sich im Zuge seiner gedanklichen Rückkehr des gesamten biografischen Ballastes zu entledigen
und frei zu werden für das Offene das er in den Gesprächen mit den Toten sucht und bei seinem
eigenen Tod zu erreichen hofft: Das wäre ein Entkommen aus der eigenen schmerzlichen Biografie
wenn der quälende Berg von Erinnerung Tradition Vaterordnung samt Begrifflichkeit und bis hin
zu den Kriegen und Ideologien verlassen ist gibt es den offenen neuen Augenblick das
Unbetretene. Der Wahnsinn der dem Erzähler zusetzt bezeichnet nämlich nicht allein seine
persönliche Verfassung als Patient in einer Nervenheilanstalt sondern ist vielmehr und
hauptsächlich symptomatisch für das ganz reale Geschehen während des 20. Jahrhunderts das auch
sein Leben geprägt und mit den Katastrophen der beiden Weltkriege der zwei Diktaturen sowie
der systematischen physischen und psychischen Auslöschung von Millionen Menschen bis in
Terplans alltägliches Umfeld und seine Familie hineingereicht und auchihn von Kindertagen an
für das weitere Leben geschädigt hat.Zwangsläufig greift der Autor bei diesem Experiment der
geistigen Befreiung und gleichzeitigen Öffnung für Übersinnliches ja letztlich für das
Numinosum auch auf eine ganze Reihe autobiografisch geprägter Szenen zurück die seinen Lesern
aus den Romanen Vaterlandstage und TranssylWAHNien bekannt sein dürften doch werden sie hier
in einem völlig anderen Kontext also auch mit einer völlig anderen Zielsetzung neu
zusammengefügt: Zähl die Jahre. Jetzt sind sie da. Die Kuckucksuhr mit dem Holzkuckuck der
schlug viertelstundenweise den Tod an verneigte sich davor bunt. Denn im Exitus letalis
erkennt der Erzähler nun die einzige Möglichkeit einer Heimkehr - auch wenn es keiner glauben
will. Und resümiert angesichts der bevorstehenden Elektroschocks die ihn seines Gedächtnisses
berauben werden nicht nur voller Angst vor den Schmerzen sondern auch voller Zuversicht auf
das baldige Verschmelzen im Tod mit dem EINEN: Was bleibt? Zei