Als Mitte der 1980er Jahre ein Mitglied der Roten Armee Fraktion Knut Folkerts beim
Hungerstreik ins Koma gefallen war und an die Medizinische Hochschule Hannover gebracht wurde
stellte dieser Vorgang die Bundesrepublik vor ein Dilemma. Die Pflicht des Staates Leben zu
erhalten stand dem individuellen Recht auf Selbstbestimmung gegenüber. Man entschied sich
damals für die relativ neue Behandlung der Komamethode. Heiko Stoff widmet sich in seinem Buch
einem Stück bundesrepublikanischer Geschichte das weit über den damaligen Anlass hinaus
medizinrechtliche und -ethische Fragen aufwirft. Deshalb ist diese Mikrogeschichte auch mehr
als eine interessante Lokalstudie über einen Intensivmediziner und einen Hungerstreikenden
sowie über den Ausnahmezustand an der Medizinischen Hochschule bei dem schließlich über
tausend schwer bewaffnete Polizeibeamte im Einsatz waren. Sie stellt vielmehr genau jenen
Moment dar an dem das ethische Prinzip von Willensfreiheit und Selbstverantwortung in einer
medizinisch prekären und politisch brisanten Situation gerade anhand einer Gruppe
exemplifiziert wurde deren Autonomie qua Gesetzesbestimmungen suspendierbar erschien. Es ging
darum einen immer noch von beiden Seiten unerbittlich geführten Konflikt durch
intensivmedizinische Intervention zu lösen ohne dass dabei der Wille der Hungerstreikenden in
Frage gestellt wurde.