Im Kreis der 43 Gauleiter des »Großdeutschen Reiches« zählte Martin Mutschmann zu den
mächtigsten: Es gab nur wenige regionale Parteiführer die neben der politischen Leitung des
Gaus auch die entscheidenden staatlichen Führungspositionen in den Händen hielten und überdies
zu Hitlers frühesten Gefolgsleuten zählten. Seit 1925 war er Gauleiter der sächsischen NSDAP
seit 1933 Reichsstatthalter und seit 1935 Ministerpräsident in Sachsen. 1939 kam der
einflussreiche Posten eines Reichsverteidigungskommissars hinzu. Noch Anfang 1945 aus Anlass
seines 20-jährigen Gauleiter-Jubiläums ließ er sich von der eigenen Presse als einen der
»tatkräftigsten und fanatischsten Gefolgsmänner des Führers« feiern. Nach Kriegsende versuchte
Mutschmann Richtung Westen zu fliehen. Doch er kam nicht weit: Am 16. Mai 1945 wurde er in
Tellerhäuser (Erzgebirge) von deutscher »Antifa« verhaftet und einen Tag später der
sowjetischen Besatzungsmacht übergeben. Seitdem verlor sich seine Spur im Dunkel der
Geschichte. Die hier erstmals ausgewerteten sowjetischen Akten zum »Fall Mutschmann« fördern
brisante Details und Zusammenhänge zutage: Mutschmanns frühe Überstellung nach Moskau die
interne Suche nach einem angemessenen Tribunal schließlich das sowjetische Geheimverfahren und
Mutschmanns Exekution Anfang 1947. Die Akten bieten aber auch neue Einblicke in Mutschmanns
»Vorleben« als Unternehmer und Gauleiter. Und sie lassen deutlich werden was es im Konkreten
hieß wenn Stalins Justiz nationalsozialistische Verbrechen ahndete. Darüber hinaus werden
Fragen geklärt die sich aus dem sowjetischen Verfahren ergeben: Wie ist dieser Moskauer
Prozess im Vergleich zu anderen alliierten und (west-)deutschen Gauleiter-Prozessen
einzuordnen? Welche Rolle spielten Mutschmanns Belastungszeugen aus der Führungsriege der
sächsischen NSDAP? Welches Ende erwartete sie? Und schließlich: Was passierte mit seiner
Ehefrau Minna Mutschmann? Welche Bedeutung hatten die »Waldheimer Prozesse« für sie?