Dem außergewöhnlichen Leben und Schicksal der Schauspielerin Carola Neher (1900 - 1942) nähern
sich die Autoren in dem von MEMORIAL Deutschland initiierten Sammelband aus unterschiedlichen
Perspektiven. Obwohl sich Carola Neher stets ausschließlich als Künstlerin verstand und der
kommunistischen Partei nie angehörte verkörpert ihr Schicksal wie kaum ein anderes die
Ambivalenz der kommunistischen Bewegung im Europa des 20. Jahrhunderts die zum Motor
kultureller Innovation als parteistaatlicher Apparat jedoch zum Vollstrecker von Massenterror
wurde. Die gefeierte Schauspielerin der 1920er und 1930er Jahre wurde nach ihrer Emigration aus
NS-Deutschland in die UdSSR 1936 in Moskau verhaftet und verstarb am 26.6.1942 im sowjetischen
Lager Sol-Iletzk.Durch die Einordnung der Stationen ihrer Biographie in den kultur- und
theatergeschichtlichen wie auch den politischen und zeitgeschichtlichen Kontext erschließt sich
die Dimension ihres Wirkens und ihre Rolle als Verfolgter zweier Diktaturen als
Jahrhundertschicksal als Kristallisationsmoment der deutschsowjetischen Geschichte.Der erste
Teil des Bands würdigt die Schauspielerin die sich an die Spitze des Weimarer Theaterlebens
kämpfte und sich als Ikone eines modernen Frauentyps inszenierte. Als Interpretin großer Rollen
in legendären Inszenierungen der Dramen Klabunds Brechts und Horváths schrieb sie Bühnen- und
Filmgeschichte.Im zweiten Teil des Werks stehen die Jahre der Emigration der Verhaftung und
Lagerzeit im Mittelpunkt. Neben bislang unveröffentlichtem Aktenmaterial ihres Verfahrens
werden die Erinnerungen der letzten Mitgefangenen an Carola Neher veröffentlicht. Darüber
hinaus erschließen deutsche und russische Forscher die monströse Dimension des staatlichen
Terrors in den 1930er und 1940er Jahren dem Millionen Menschen zum Opfer fielen.