Überschreitet Macht ihre legitimen Grenzen und schlägt in Gewalt um artikuliert sich
Widerstand. Häufig wie jüngst in Hongkong Belarus oder Myanmar geschieht dies kollektiv und
öffentlich: Menschen demonstrieren setzen sich zur Wehr blockieren Straßen und Plätze oder
streiken. Diese Fälle wecken das Interesse der Nachrichten und der Forschung und sind in der
Regel gut dokumentiert. Sehr viel weniger bekannt sind hingegen die zahlreichen Beispiele
widerständigen Verhaltens die sich jenseits der Öffentlichkeit oder unterhalb der Schwelle des
offenen Protests vollziehen die sich hinter Gefängnismauern in Straflagern und in
Folterkellern ereignen oder lediglich in Fotografien oder Aktennotizen eine Spur ihrer Existenz
hinterlassen. Was bringt Menschen dazu sich in ausweglosen Situationen der Gewalt
entgegenzustellen sich den Forderungen ihrer Peiniger zu entziehen oder unbemerkt von der
Öffentlichkeit einen stummen Kampf um ihre Selbstbehauptung zu führen? Und welcher Mittel und
Wege bedienen sie sich dafür? »Wer Widerstände nur an ihrer Wirksamkeit und an ihrem sichtbaren
Erfolg misst bringt deren verstreute Handlungs- und desperate Passivierungsformen zum
Verschwinden. Aus der Perspektive der Gewaltforschung betrachtet heißt das: Wer nur auf die
Gewalt schaut und sie vor allem unter Gesichtspunkten ihrer Effizienz und Uneingeschränktheit
untersucht dem entgeht was sich ihr entzieht und was ihr widersteht. Wo immer sich Widerstand
ereignet wie geringfügig er auch sei gibt es keine absolute und restlos erfolgreiche Gewalt.«
Iris Därmann Michael Wildt