A DANSE À DEUX oder Wem nützte ein enthülltes Geheimnis?Sieben schweifende Gedanken über ein
DenkmalEiner künftigen Zeit mag es vorbehalten bleiben auch unsere Urteile wieder zu
revidieren. Jacob Burckhardt hat das unter dem Stichwort Die historische Größe vor über 150
Jahren gesagt. Als vor mehr als 30 Jahren das von Nikolai Tomski geschaffene Lenin-Denkmal in
Berlin abgetragen wurde3 habe ich das von einem Fenster im obersten Stock eines Wohnblocks
gegenüber beobachtet. Ich erinnere wie Lenins Kopf gelöst und hochgehoben wie die Figur aus
rotem Granit Stück für Stück abgetragen auf Tieflader verladen und weggebracht wurde.
Hubschrauber waren keine im Einsatz. Erst Jahre danach erfuhr ich dass man Teile des Denkmals
in einem Wald vergraben hatte. Absurd? Ja. Unwiederbringlich? Nein. Lenins Kopf immerhin
schaffte es in die Zitadelle Spandau. Das ebenfalls von Tomski stammende Stalin-Denkmal das
der heutigen Karl-Marx-Alle in Berlin zu ihrem ersten Namen verhalf hatte weniger Glück es
wurde eingeschmolzen.Der Schriftsteller Richard Ford notierte in Erinnerung an seinen Vater
[...] es wäre unrecht wenn ich ihm etwas zuschreiben würde was ich gar nicht weiß. Und
weiter: Es ist höchstens ein Ausdruck von Respekt wenn man anerkennt dass man nicht alles
weiß [...]. Das Nichtwissen hingegen das bloße Spekulieren über das Leben eines anderen lässt
diesem Leben die Freiheit mehr zu sein als es wirklich war.7 In anderen Worten: Es ist
legitim sich der Ahnen mit Fantasie zu erinnern. Leerstellen darf es geben. Je entfernter das
Gestern umso größer und umso besser weil so sich der Zwang zur Genauigkeit verliert und
zugleich die Gefahr eines - im Übrigen falsch verstandenen - kostümierten Historismus'
zumindest kleiner wird. Kritiker werden nun klagen: 'Das leiste der Verklärung Vorschub gleich
wie dem Missverstehen'! Mitnichten. In der Unvollständigkeit unserer retrospektiven Wahrnehmung
liegt eine einzigartige Chance: sie schafft den Raum für ein Wesentliches in der Kunst
Behauptungen.Die Architektur des Lüpertz'schen Denkmals für Clara und Robert Schumann
widerspricht jeder klassisch tradierten Vorstellung. Sie ist eine nach innen
gekehrteVerringerung des Raumes. Heinrich Heil nennt es einen tanzenden Wirbelsturm der
Einsamkeit. Das auf diese Weise aus Einzelheiten Objekt- Architektur- und Körperteilen
Gefügte erinnert an einen Turm der indes nicht still steht nicht herrscht sondern sich in
einem moto violente präsentiert der fürwahr einem Sturm gleicht. Einzig das mitgegossene
Postament rekurriert die Traditionen. Der Künstler hat es mit Halbreliefs bildhafter Allegorien
besetzt. Markus Lüpertz beschreibt die Wesenheit seiner Bildhauerei mithin so: (...) in der
permanenten Unruhe einer Skulptur deren Aufbau die alte Harmonie verletzt erwächst eine
Spannung die dem Statischen einen wunderbaren Ersatz für Bewegung zuführt und das Unmögliche
vollbringt ein statisches Gebilde in Bewegung zu setzen.Anerkennen wir das Folgende: Denkmale
erfüllen längst eine andere Funktion als noch zur Zeit ihres ersten Auftretens - und erst recht
seit ihrer Verbürgerlichung zu Beginn des 19. Jahrhunderts als ein Denkmal nicht nur die
tatsächliche Existenz mit der allgemeinen künstlerischen Bedeutung in Einklang zu bringen
[hatte] sondern dem in diesem Falle so geehrten Komponisten auch die Bildnisgerechtigkeit
widerfahren lassen und das Hörbare nach Tunlichkeit in das Sichtbare zu übersetzen hatte. Doch
nicht die Person das Werk die Leistung stehen heute (noch) im Mittelpunkt sondern zuvorderst
das Selbstwertgefühl einer Gemeinde vulgo Gesellschaft es geht um die Besetzung zumeist
urbanen Freiraums was invielen Fällen gleichzusetzen ist mit seiner Rückeroberung aus den
Klauen von Jugendkultur oder allgemeiner Vernachlässigung es geht um die Dokumentation
mäzenatischen Altruismus' - der von öffentlichem Interesse vereinnahmt wird oder sich
vereinnahmen lässt. Der historisch gewachsene Begriff