Mitte der 1950er Jahre entstand die Situationistische Internationale (S.I.) die frühzeitig
einiges von dem theoretisch vorwegnahm was später praktisch die 1968er-Bewegung kennzeichnen
sollte: Eine radikal-moderne Infragestellung der kapitalistischen Gesellschaft. In den drei
Jahren vor ihrer Auflösung 1972 sollte die S.I. wiederum zur schärfsten Kritikerin der
Kurzatmigkeit jener Bewegung werden. Waren die SituationistInnen ursprünglich künstlerisch
tätig lösten sie sich von der Beschränkung auf diese Sphäre weil sie eine 'Verwirklichung der
Kunst' nur im Umsturz der Gesamtheit der Verhältnisse für möglich sahen. Beeinflußt von Henri
Lefèbvres 'Kritik des Alltagslebens' von Dadaismus und Surrealismus unterzogen sie das
Marxsche Werk insbesondere die Frühschriften einer intensiven Relektüre die sie gegen alle
damals vorherrschenden Staatssozialismen in Anschlag brachten: Entfremdung sei nicht in
entfremdeten Formen zu bekämpfen. Die totalitäre Welt der Ware bringe selbst die Möglichkeit
ihrer Überwindung mit sich da sie bei ihren ProduzentInnen radikale moderne Bedürfnisse
erzeuge die es aufzuspüren und in ihrer Sprengkraft gegen die kapitalistischen
Produktionsverhältnisse scharf zu machen gilt. Im Gegensatz zum überkommenen
Arbeiterbewegungsmarxismus verstand sich die S.I. nicht als Avantgarde oder Repräsentation
sondern als ein Kollektiv von ExperimentatorInnen welches die Menschen dazu anregen sollte
die versteinerten verkehrten und entfremdeten Alltagssituationen durch eine Bewegung bewusster
'Konstruktion von Situationen' in Richtung der gesamtgesellschaftlich geschichtlichen Aktion
aufzusprengen. So sollten festgefahrene als selbstverständlich geltende Praxisformen und
Sichtweisen irritiert und aufgebrochen werden um die darunterliegenden Strukturen und
Gesetzmäßigkeiten zu Tage zu befördern die dadurch bewusst gemacht werden und in eine
aufhebende Bewegung münden sollten: der Abschaffung von Ware Geld Kapital und Staat und die
Aufhebung dieser Verhältnisse in eine menschenwürdige bedürfnisorientierte und geschichtlich
bewusste Produktion und Verteilung. Zu den bekannteren TheoretikerInnen der Situationistischen
Internationale zählen Raoul Vaneigem (*1934) und Guy Debord (1931-1994). Vor allem dessen Buch
'Die Gesellschaft des Spektakels' war für den Mai 1968 in Paris keineswegs unbedeutend und wird
heute wieder vermehrt rezipiert. Aktuell finden aus ihrem Zusammenhang gerissene Texte der
SituationistInnen in der Anti-Globalisierungsbewegung aber auch im Kunst- und
Architekturbetrieb unverkennbar Anklang. Vor diesem Hintergrund versucht das Buch Grundzüge
Postulate und Quellen der situationistischen Revolutionstheorie in ihrem Gesamtzusammenhang
dar- und klarzustellen nicht ohne deren 'blinde Flecken' aufzuzeigen.