Ein beträchtlicher Anteil der Menschen auf der Flucht weltweit sind Kinder unter 18 Jahre.
Kommen sie ohne eine erziehungsberechtigte Person nach Deutschland gelangen sie in der Regel
in die Obhut der Jugendhilfe. In Einrichtungsformen wie dem Betreuten Wohnen sollen sie nicht
nur soziale und erzieherische Unterstützung erhalten sondern auch in ihrer Selbständigkeit
gefördert werden. In den Jahren 2015 und 2016 wurden besonders viele unbegleitet geflüchtete
Minderjährige im Rahmen der Erziehungshilfe betreut. Ein Großteil von ihnen ist heute
volljährig. Oft haben sie ihr gesamtes Aufwachsen in Erziehungshilfeeinrichtungen verbracht und
sind nun als sogenannte Careleaver:innen im Prozess die öffentlichen Fürsorgestrukturen zu
verlassen. Auf der Schwelle zu einem selbständigen Leben als Erwachsene werden sie dabei in
eigens dafür erdachten Einrichtungen noch ein letztes Stück begleitet. Die vorliegende sozial-
und kulturanthropologische Studie beleuchtet die Lebenssituation geflüchteter Careleaver:innen:
Wie äußert sich der Auftrag der institutionellen Fürsorge in der Versorgungspraxis geflüchteter
junger Volljähriger und welche Konflikte rund um Vorstellungen von Fürsorge und Selbständigkeit
finden dabei statt? Im Rahmen einer achtmonatigen Feldforschung in einer Berliner
Careleaving-Einrichtung ging die Autorin diesen Fragen nach. So ließ sich feststellen dass
innerhalb der Einrichtung immer wieder die Grenzen (institutioneller) Fürsorge und das
Verhältnis zwischen Fürsorge und Selbständigkeit verhandelt werden und die fluchterfahrenen
Careleaver:innen nach wie vor mit den Herausforderungen einer bürokratisch und sprachlich
komplexen Gesellschaft zu kämpfen haben. Das Verlassen der Hilfe wird so für sie zu einem
besonderen Einschnitt in ihr Leben der mit Existenzängsten sowie mit Gefühlen der
Vernachlässigung einhergeht.