Aufmerksamen Beobachtern begegnete der Schweizer Fotograf Martin Linsi vor einigen Jahren auf
der Architektur-Biennale in Venedig als er für seine Dokumentation der Brückenbauten von Jürg
Conzett unter 193 Bewerbern mit dem DAM Architectural Book Award ausgezeichnet wurde. Ein
breites Echo fand auch seine «Reise durch den Kanton Schwyz» die er 2005 als Ergebnis eines
offiziellen Auftrags des Schwyzer Regierungsrats vorlegte. Die beiden Arbeiten sind Beispiele
einer 40 Jahre währenden Fotografenlaufbahn in der Linsi sich auf bemerkenswerte Weise treu
blieb und einen unverkennbar eigenen Stil entwickelte. Am Anfang stand die Reportage-Fotografie
doch Linsis Themen zeigten schon hier dass es ihm nicht darum ging durch möglichst rasche
Reaktion den flüchtigen Moment zu erjagen. Statt dessen interessierte ihn der Alltag: Er
dokumentierte die Arbeit in einer Gießerei er begleitete einen jungen Kohlearbeiter durch den
Tag er nahm am Leben einer therapeutischen Einrichtung auf dem Land teil oder blickte den
letzten dampfgeführten Zügen nach. Nur selten scheint Linsi gleich beim ersten Hinsehen auf den
Auslöser gedrückt zu haben aus den Aufnahmen spricht vielmehr eine längere Vertrautheit mit
den Motiven und Milieus ein ruhiges Wartenkönnen bis das Bild sich zeigte.Dieses Bedürfnis
nach Entschleunigung hat Linsi bald auch von der Reportage Abschied nehmen lassen. Stattdessen
begann er sich über längere Zeit bestimmten Motiven Gegenden und Themen zu widmen. Er schuf
größere Serien zu den Jahreszeiten widmete sich den Lebensepochen von der Kindheit bis zum
Alter suchte immer und immer wieder bestimmte Orte auf um ihre langsame Veränderung
festzuhalten oder aus den Modellierungen des wechselnden Lichts das Wesen einer Landschaft
herauszulesen. Die Genauigkeit und Ruhe seiner Bilder scheint den Aufnahmen etwas
Stillebenartiges zu verleihen und doch handelt es sich hier keineswegs um bloße
Beschaulichkeit. Linsis Blick kann vielmehr auch kritisch werden wenn er beispielsweise das
Ungetüm einer gleißenden Autobahnraststätte vor einem Alpenpanorama ablichtet oder die
blindwütige Zerstörung alter Gebäude dokumentiert. Auch grotesker Humor ist ihm nicht fremd -
beispielsweise angesichts einer stramme Männerschar die beim Eidgenössischen Feldschießen mit
martialischem Ernst ans Werk geht. Gleichwohl sind es nicht die Effekte des Moments die ihn
interessieren oder genauer: Ihn interessiert der Moment nur wenn er etwas in sich trägt das
über ihn hinausweist. So sucht Linsi mit der Kamera was einst die Domäne der Malerei war: die
alte Bildform in der jedes Detail mehr ist als direkt zu sehen ist.