Wer ab Mitte der 1950er-Jahre nackte Menschen im Film anschauen wollte besuchte vorzugsweise
die Vorführung eines Naturistenfilms von Werner Kunz (1926-2018). Die pionierhaften Werke des
Schweizer Self-made-Filmemachers widmeten sich zu einem grossen Teil der Darbietung von
Nudistinnen (weniger derjenigen von Nudisten) in ihren angestammten Habitaten - hauptsächlich
bei sommerlichem Sport und Spiel an Land und im Wasser. Zu ihrer Zeit waren die Produktionen
das (legale) Nonplusultra was kinematografische Nacktdarstellungen anbelangte. Von einigen
Filmzensurstellen als Ausgeburten von Unsittlichkeit verboten gelangten Kunz' Streifen
andernorts als instruktive Dokumentationen über eine alternative Lebensweise zur Aufführung.
Der Schauwert der unbekleideten Leiber blieb durch die dokumentarische Rahmung selbstredend
unangetastet und so verschoben Kunz' Nudistenfilme mit der Zeit die Grenzen des zensorisch
Erlaubten. Während eines Jahrzehnts verfügte Kunz mit seinen Filmen - bei denen er in
Personalunion für Drehbuch Produktion Regie und Verwertung verantwortlich zeichnete - über
das Monopol kinematografischer Nacktdarstellungen. Im Rahmen von rastlos veranstalteten
Sondervorstellungen zeigte er seine Werke in grösseren und kleineren Mehrzwecksälen in
Schweizer Städten und Ortschaften. Ab Anfang der 1960er-Jahre wurden sie regelmässig auch in
den Kinos gespielt. Nicht zuletzt feierten seine Produktionen grosse Erfolge im Ausland.
(Welcher Schweizer Film kann sich schon einer dreieinhalb Monate langen Spielzeit in einem New
Yorker Kino rühmen?) Der Zürcher Filmwissenschaftler Matthias Uhlmann präsentiert in der ersten
detaillierten Darstellung zu dem in Vergessenheit geratenen Schweizer Filmpionier Werner Kunz
sämtliche überlieferten Filme hinsichtlich ihrer Produktion Verwertung und Rezeption.
Inhaltszusammenfassungen und zahlreiche Standbilder veranschaulichen die zwei Dutzend
nudistischen Werke (darunter vier Langspielfilme) zudem illustriert reichhaltiges Bildmaterial
aus dem Privatarchiv des Regisseurs das aufwendig recherchierte Buch. In Interviews die der
Verfasser mit dem Filmemacher führte kommt der Wegbereiter der sexuellen Freizügigkeit im
internationalen Film selbst zu Worte: als «Vater von all dem».