Wladislaw Chodassewitsch (1886-1939) ein von Kritik und Literaturgeschichte lange Zeit
vernachlässigter Autor gilt in Rußland heute als einer der bedeutendsten Dichter und als
herausragender literarischer Chronist seiner Epoche.Kurz nach der Jahrhundertwende im Umkreis
des Symbolismus in die russische Literatur eingetreten entwickelte Chodassewitsch bald eine
eigene Sprache. Seineklassische formstrenge Lyrik unter Verzicht auf Innovation à tout prix
bewegte sich gegen den Strom der Zeit war keiner der damals zahlreichen literarischen
Richtungen zuzuordnen. Diese unabhängige Haltung finden wir auch in seiner Erinnerungsprosa
die in der Genauigkeit der Beobachtung dem kritisch distanzierten Blick und einem lakonischen
bisweilen ironischen Ton das Pendant zu seiner Lyrik bildet.Seine berühmte Sammlung von
Portraits verstorbener Weggefährten (Belyj Blok Jessenin Gorkij und andere) legte
Chodassewitsch 1939 - selbst schon todkrank - unter dem Titel Nekropolis vor. Weitere Texte
die die Wandlungen des literarischen Lebens in Rußland vor und nach der bolschewistischen
Revolution und später im Pariser Exil sowie theoretische Kontroversen der Zeit widerspiegeln
ergänzen unsere Ausgabe.In seinen persönlichen Erinnerungen gilt Chodassewitschs Aufmerksamkeit
vor allem den vielfältigen Wegen auch Irrwegen von Dichtern und deren menschlicher und
künstlerischer Haltung in sich radikal ändernden politischen Verhältnissen. Unvergeßlich sind
etwa seine liebevollen und zugleich kritischen Portraits von Andrej Belyj mit dessen
traumatischer Kindheit die sich in allen seinen Werken niederschlägt oder von Maxim Gorkij in
seinem langen unfreiwilligen italienischen Exil. Berühmt-berüchtigt bis heute bleibt sein
vernichtender Nachruf auf Wladimir Majakowskij den er noch im Tod des persönlichen und
literarischen Verrats zeiht ein Pferdeleben.Wir lesen diese Prosa diese Essays Aufsätze
Erinnerungsstücke wohl wissend daß sie aus der Feder eines dergrößten Lyriker des
Jahrhunderts stammen. Ich glaube indessen daß Chodassewitschs Prosa auch ohne dieses Wissen
das bleiben würde was sie ist - einer der Gipfel der russischen Prosa überhaupt. Alexei
Makushinsky