Roman ]akobson (1896-1982) einer der bedeutendsten Sprachwissenschaftler des letzten
Jahrhunderts war kein Linguist der im Gehege seiner Fachrichtung verharrte. Er beherrschte
acht Sprachen und war ein Mann des weiten Horizonts der scheinbar Disparates zusammenfügte um
die menschliche Sprache in all ihren Aspekten zu erforschen. Er bewegte sich auf so
unterschiedlichen Terrains wie Folklore und Relativitätstheorie Malerei und Neurologie Poesie
und Kybernetik. In den Erinnerungen Meine futuristischen Jahre kehrt Jakobson in die historisch
und künstlerisch dramatische Zeit Rußlands zwischen 1910 und 1920 zurück. Er schildert die
Aufbruchsstimmung in Moskau und St. Petersburg den Hunger nach neuen Formen in Malerei und
Poesie und den Gärungs-Prozeß aus dem der russische Futurismus hervorging. Während sich in der
Malerei Farbe und Form aus dem Korsett des Realismus befreiten lösten die russischen
Futuristen das Wort aus der Klammer der Bedeutung und schufen eine Zaum genannte Sprache. An
ihr schärfte der russische Formalismus seine theoretischen Instrumente. Jakobsons
Sprachwissenschaft die Strukturalismus Phonologie und Semiotik antizipierte entstand in
diesem Kontext. Der Wissenschaftler der zugleich Poet war erzählt von seinen Begegnungen und
Freundschaften mit den Dichtern Chlebnikov Krucënych Majakovskij und Pasternak den Malern
Malevic Larionov und vielen anderen die die russische Kunst jener Jahre bestimmten. Er
zeichnet anekdotenreich und stets nobel im Ton ein lebhaftes bisher fast unbekanntes
Milieubild zu dem nicht zuletzt auch die Liebesgeschichte von Osip Brik Lilja Brik und
Vladimir Majakovskij gehört. Jakobson mochte Memoiren nicht seine Erinnerungen sprach er im
Alter von 81 Jahren auf Band. Der schwedische Slavist Bengt Jangfeldt der ihn befragte
stellte die Aufnahmen zu einem Text zusammen und kommentierte ihn ausführlich. Die
Aufzeichnungen liegen hier erstmals in deutscher Sprache vor.