Preußen wie es keiner kennt - Die Eulenburg-Affäre Ein General der beim Auftritt im
Ballet-Röckchen am Herzschlag stirbt ein Fürst der in Witzblättern beim Sex mit dem Berliner
Stadtkommandanten gezeigt wird Ausgangssperre für Ulanen um sie vor dem Zugriff geiler
Zivilisten zu schützen eine Hellseherin mit besonderem Gespür für den Enddarm: Es ist
verblüffend wie offen und ausdauernd im preußisch-zackigen Kaiserdeutschland über Homosexuelle
in höchsten Kreisen geredet wurde verglichen damit erscheinen die Pressereaktionen auf die
Kießling-Affäre und Wowereits Selbst-Outing geradezu harmlos. Die in den Text eingestreuten
"Simplicissimus"- und "Wahrer Jacob"-Karikaturen sind an Deutlichkeit nicht zu überbieten - wer
würde heutzutage schon Soldaten mit Handtäschchen und Make-up oder Spitzenpolitiker beim
Oralverkehr zeichnen?! Der Journalist Peter Jungblut hat sich mit viel Neugier und Lust am
schrägen Detail in die Quellen des Eulenburg-Skandals eingearbeitet der das Wilhelminische
Kaiserreich erschütterte. Eulenburg wurde gern als preußischer Seneca bezeichnet: ein
Landadliger der durch Kontakte eines Onkels zum Haus Bismarck in die Politik gelangte und
durch seine Fähigkeiten als Alleinunterhalter und Musiker "einziger Busenfreund des Kaisers"
wurde mit Privilegien wie sie sonst nur den Chefs regierender Fürstenhäuser zustanden.
Jungblut stellt die tragikomische Geschichte vom Aufstieg und Fall dieses neuzeitlichen
Favoriten erstmals ausführlich und zusammenhängend dar. Alles beginnt mit der Pressekampagne
des deutschtümelnden und kriegsversessenen Journalisten Maximilian Harden. Er hält Eulenburg
und seine Freunde für Weichlinge Frankreich-Fans und Fantasten. Ihr Einfluss auf den Kaiser
ist ihm ein Dorn im Auge. Aus der politischen Intrige wird eine Schlammschlacht: Denunziationen
Duell-Forderungen Beleidigungsprozesse geheime Kripo-Dossiers - alles kommt zur Sprache.
Urbayerische Zeugen bekommen in Preußen einen Dolmetscher. Ein Wiener Bademeister eine
tablettensüchtige Ehefrau ein Leichtmatrose und schwule Offiziere packen aus lügen und
beeiden nach Kräften. Jungblut macht aus dem Material eine rosarote Preußen-Revue und
beschreibt die verheerenden Auswirkungen des Skandals auf die damalige Schwulenszene.