Wenn er schreiben wollte zog sich Samuel Beckett in sein kleines Landhaus in Ussy-sur-Marne
zurück. Hier entstanden zahlreiche Meisterwerke. Aber hier feierten auch seine Schreibhemmungen
wahre Triumphe!Ein neunmonatiges Stipendium soll es dem Protagonisten in Wieczoreks Novelle
ermöglichen ein Essay über Becketts Schreib-Refugium zu verfassen. Ein Anfang ist bald
gefunden jäh aber versiegt das Schreiben als im 'Spanischen Haus' gegenüber des Gartens ein
Tubist beginnt sein tägliches Pensum aufzunehmen. Tonleitern. Staccato-Übungen.
Pralltriller.Es ist zum Heulen. Zum Lachen. Aber nicht zum Schreiben.Parallelen werden sichtbar
wenn beispielsweise vor Becketts Garten ein Monsieur Horviller eine Jagdhütte zu bauen
beginnt.'Die Neurose schreibt nicht' sagte einmal Becketts Psychoanalytiker Ruprecht Bion es
sei stets der gesunde Teil der Schriftstellerseele der ein Werk verfasse.Wieczoreks
Protagonist beginnt wieder Mut zu schöpfen als er den Satz liest: 'In diesem Spannungsfeld
zwischen Bions These und Becketts Störung durch Horviller würde er sein Essay anlegen und es
würde eine hochinteressante Schrift werden die im Falle des Gelingens weit über Beckett
hinauswiese indem sie die Bedingungen künstlerischer Schaffensprozesse menschlicher
Widerstandsleistungen ausleuchten würde.'Aber der Tubist bringt noch mehr zum Schwingen mit
seinem sperrigen Instrument. Immer tiefer wird der Protagonist in seine Kindheit zurückversetzt
in der ein musizierender Vater nichts Ärgeres zu fürchten scheint als von seinem Sohn gestört
zu werden.Die Auseinandersetzung mit dem Tubisten führt den Erzähler gleichzeitig immer näher
zu Beckett und zu seinem Thema als Essayisten.Mit dieser zweiten Künstler-Novelle ist Rainer
Wieczorek nach der Novelle über die Bildende Kunst Zweite Stimme wieder 'ein kleines
Meisterwerk' gelungen.