Vorwort Maurice Ravel wurde am 7. März 1875 in Ciboure im französischen Baskenland geboren
verbrachte sein ganzes Leben in und bei Paris und starb dort am 28. Dezember 1937 an den
Spätfolgen einer ihn seit den 20er Jahren beeinträchtigenden schleichenden aber nie eindeutig
diagnostizierten Krankheit und einem am 8. Oktober 1932 erlittenen Autounfall. Wie nicht
allzu lange vor ihm Claude Debussy begann auch Ravel seine Karriere als hoffnungsvoller
Pianist. Am 4. November 1889 waren der damals 14-Jährige und sein gleichaltriger Freund der
seit 1887 in Paris lebende katalanische Pianist Ricardo Viñes zwei der 46 Bewerber um die
begehrten Studienplätze am Conservatoire de Musique. Zwölf der jungen Klavierspieler - unter
ihnen Viñes - wurden direkt in eine der fortgeschrittenen Klassen aufgenommen sieben weitere -
unter ihnen Ravel - einer zweijährigen Vorbereitungsklasse zugeteilt. In den Abschlussprüfungen
dieser beiden Studienjahre erzielte Ravel gute Erfolge: 1890 erhielt er für seinen Vortrag
einer Polonaise von Chopin und des Finale des Mendelssohn-Klavierkonzertes einen "zweiten
Preis" ein Jahr später für Schumanns g-Moll-Sonate sowie eine Hummel-Sonate sogar einen
"ersten Preis". Daraufhin stieg er zum Herbst 1891 in Charles de Bériots Klasse der
Fortgeschrittenen auf in der auch Viñes studierte. Mit diesem Erfolg endete allerdings sein
Eifer beim täglichen Üben. Bériot konstatierte schon wenig später dieser Schüler könne wohl
vorzüglich spielen wenn er übte aber wenn er es wie es häufig geschah nicht tat . . .
Aufgrund dieser Nachlässigkeit wurde der 20-jährige Ravel der in den Folgejahren keine
weiteren Jahrespreise gewonnen hatte 1895 aus der Klasse ausgeschlossen. Schockiert von diesem
eigentlich vorhersehbaren Misserfolg verließ er das Conservatoire ganz und gar und beschränkte
sich zunächst auf ein privates Klavierstudium kehrte aber im Januar 1898 unter geänderten
Vorzeichen an das Institut zurück um - diesmal in Gabriel Faurés Kompositionsklasse und der
von André Gedalge geleiteten Klasse für Kontrapunkt und Orchestrierung - seine Ausbildung
abzuschließen. Schon kurz nach seiner 1893 erfolgten Zuteilung zum Harmonielehrekurs von Émile
Pessard hatte Ravel begonnen selbst zu komponieren vor allem kleine Klavierstücke und
Klavierlieder. Aus dieser Zeit gibt es ein aufschlussreiches Porträt aus der Feder des später
weltberühmten Pianisten Alfred Cortot: Seine ersten Kompositionsversuche für Klavier gehen auf
die Studienzeit im Konservatorium zurück. Seine Mitstudenten zu denen auch ich gehörte
entdeckten bald Anzeichen für eine einzigartige musikalische Persönlichkeit bei dem sich gern
spöttisch gebenden intelligenten und etwas distanzierten jungen Mann der Mallarmé las und mit
Erik Satie verkehrte. Wenn wir auch einige Bedenken hinsichtlich seiner pianistischen
Virtuosität hatten so war es für uns doch immer ein großer Spaß uns zwischen zwei
Unterrichtsstunden ein paar außergewöhnlich kühne Takte vorzuspielen wobei wir uns stets
darüber einig waren dass sie aus der jeweils letzten Komposition Ravels stammen mussten.
Ravels Klavierwerk entfaltete sich in einer schöpferischen Phase von 38 Jahren zwischen 1893
und 1931. Im Zentrum stehen die vier großen zyklischen Werke: Miroirs (1904-1905) Gaspard de
la nuit (1908) Valses nobles et sentimentales (1911) und Le tombeau de Couperin (1914-1917).
Diesen Hauptwerken gehen neben der mehrsätzigen Sonatine (1903-1905) vier einzeln stehende
Stücke aus den ersten anderthalb Jahrzehnten seiner Schaffenszeit voraus: Sérénade grotesque
(1893) Menuet antique (1895) Pavane pour une infante défunte (1899) und Jeux d'eau (1901)
später entstand als Auftragswerk noch das Menuet sur le nom d'Haydn (1909). Etwa parallel zu
diesen Werken für Klavier solo komponierte Ravel drei Werke für mehrere Pianisten: das
Diptychon Sites auriculaires für zwei Klaviere (1895-1897) den fünfsätzigen Märchenzyklus Ma
mère l'oye für Klavier zu 4 Händen (1908-1910) sowie eine Miniatur in ungewöhnlicher Besetzung
Frontispice für zwei Klaviere zu 5 Händen (1918). Nach einem Hiatus von gut zehn Jahren in
denen er ausschließlich Vokal- und Instrumentalmusik schrieb folgten in den Jahren 1929-1931
die zwei Klavierkonzerte. Mit dem heiteren Klavierkonzert in G-Dur hatte Ravel gehofft seine
Karriere als Pianist zu krönen doch verhinderte dies am Ende seine fortschreitende Krankheit.
Die Kapitel bieten neben kurzen Hintergrundinformationen zu den Werken vor allem Analysen der
Melodik Rhythmik Harmonik Textur und Struktur. Übersetzungen sofern nicht anders vermerkt
sind von mir.