Mit Der Prozess schuf Franz Kafka ein Jahrhundertwerk das die Existenzbedingungen des
Individuums auf inhaltlich und formal bahnbrechende Weise radikal neu formulierte. Die große
Parabel über das Scheitern des Josef K. vor Gericht und Gesetz veranschaulicht das ausweglose
Dasein des Einzelnen im Labyrinth einer anonymen Welt die sich jeder Sinnsetzung entzieht.
Inhalt: An seinem 30. Geburtstag wird Josef K. ein allein stehender Bankbeamter verhaftet.
Die Umstände sind so mysteriös wie grotesk: Die Verhaftung erfolgt durch obskure Wächter das
Verhör dem einige Kollegen beiwohnen findet im Schlafzimmer der Nachbarin statt. Über den
Anlass erfährt K. lediglich dass das anonyme Gericht das auf Basis eines unbekannten Gesetzes
urteilt von der Schuld »angezogen« würde obwohl im Fall von K. kein Verbrechen vorliegt sei
die Schuld prinzipiell unanzweifelbar. K. reagiert widersprüchlich: Während der ersten
Vorladung greift er das Gericht offen an zugleich ist er übertrieben dienstfertig fügt sich
in sein Schicksal bestellt einen Anwalt und will Erkundigungen einziehen. Die ebenso
verzweifelten wie kläglichen Versuche die Ereignisse zu beeinflussen scheitern ohne Ausnahme.
Ein Geistlicher klärt K. am Ende über die Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen auf: Das Gesetz
unter das der Angeklagte gestellt ist entzieht sich jedem rationalen Verständnis. So wenig wie
der Sinn des Lebens entschlüsselt werden kann ist der »Sinn« des Gesetzes zu erfassen da es
absolut ist verweigert sich das Gesetz objektiven Definitionen. Die allein möglichen
subjektiven daher stets unzureichenden Einschätzungen konfrontieren den Erkenntnissuchenden
mit der Sinnlosigkeit seines Tuns. Verbissen weigert sich K. sein Dasein unter dieses negative
Prinzip des Scheiterns zu stellen den Prozess zu verschleppen oder die Hoffnung auf einen
»Freispruch« aufzugeben. K. ignoriert die Warnung des Geistlichen dass das Verfahren
allmählich ins Urteil übergehe: Am Vorabend seines 31. Geburtstags ein Jahr nach Beginn des
Prozesses wird Josef K. vor die Stadt geführt und exekutiert. Aufbau: Das zwischen Mitte 1914
und Anfang 1915 entstandene Romanfragment das erst postum veröffentlicht wurde folgt -
äußerlich betrachtet - klassischen Mustern: Die 16 überlieferten teilweise unabgeschlossenen
Kapitel decken einen Zeitraum von exakt einem Jahr ab und schildern die Ereignisse streng
chronologisch. Die Erzählweise orientiert sich am Realismus des 19. Jahrhunderts moderne
Stilelemente sind kaum zu finden. Das eigentliche Novum liegt in der Art und Weise wie Kafka
die Darstellungsmittel nutzt und den Leser an der Erkenntnissuche des Protagonisten teilhaben
lässt: Das Geschehen wird durchgängig aus der personalen Erzählperspektive von Josef K.
geschildert die häufig verwendete erlebte Rede und zahlreiche innere Monologe steigern die
verengende Wirkung um den Protagonisten den Erzähler und den Leser zu einer unauflöslichen
Einheit zu verschmelzen. Die tiefe Widersprüchlichkeit der Ereignisse die paradoxen Reaktionen
K.s und das klaustrophobische Gerichtsszenario erzeugen eine labyrinthische Atmosphäre die das
Berichtete auch den rationalen Erklärungsversuchen des Lesers entzieht. Wirkung: Die
parabolische Erzähltechnik bewirkt dass sich der Roman - wie das Gesetz - jeder abschließenden
Deutung verweigert und den Leser zwingt sich stets aufs Neue mit den divergierenden
Sinnangeboten des Texts auseinander zu setzen. In alle Weltsprachen übertragen mehrfach
vertont dramatisiert und verfilmt gilt Der Prozess den Kafka persönlich für misslungen hielt
bis heute unangefochten als Inbegriff des modernen Romans.