In meiner Kindheit galt Lachs als Edelfisch. Er kam nur zu festlichen Anlässen auf den Tisch.
1966 drehte Eugen Schuhmacher den Tierfilm »Alaska - Wildnis am Rande der Welt«. Alljährlich
zur Hauptlaichzeit der Lachse finden sich Kodiakbären an den Flüssen der gleichnamigen Insel
ein. Sie erweisen sich als geschickte Fischer und ernähren sich über Wochen ausschließlich von
Lachsen. Schumacher zeigt die fischenden Bären mit dokumentarischer Präzision und in filmischer
Exzellenz. Ihm bleibt nicht verborgen dass sich einige Kodiakbären im Laufe der Lachssaison
spezialisieren. Mit ihrem erfolgreichen Fang trotten sie zum Ufer legen ihn ab halten ihn mit
der einen Tatze und schlitzen ihm mit einer Kralle der anderen den Bauch auf. Dann fressen sie
ausschließlich den orangerot leuchtenden Rogen. Das ist beeindruckend. Wie verschwenderisch die
Bären mit den überaus schmackhaften Lachsen umgehen (und wie gierig machen sich Raubvögel über
die Reste der Lachse her)! Und wie außergewöhnlich der Rogen munden muss wenn sie ihn über
alles wertschätzen!Nicht nur die Bären auch die kraftvollen Fische faszinieren. Sie überwinden
Stromschnellen auch kleine Wasserfälle um zu ihren Laichplätzen zu gelangen. Sie erzeugen
Nachkommen in Fülle. Nur wenige überleben und finden zurück ins Meer. Die meisten werden Opfer
für andere Tiere in der Nahrungskette. Das steht in Spannung zur Einschätzung vieler Menschen
die ein artgerechtes Leben für jedes Individuum erstrebenswert halten. Das Reich der Tiere
führt andere lebens- und realitätsnahe Prämissen vor Augen.Meine Mutter briet nicht häufig
doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit grüne Heringe. Das geschah meist draußen oder in der
Garage weil sie den durchdringenden fischigen Bratgeruch nicht im Haus haben wollte.
Gelegentlich fiel eine kleine Delikatesse für uns Kinder ab. Bei ihnen mussten wir uns nicht
mit den kleinen Gräten plagen. Vor ihnen hatten wir keine Angst aber sie hemmten das
Fortkommen beim Essen doch erheblich. In der Laichzeit der Heringe gab es nämlich auch deren
Rogen und Melcher. Sie wurden mehliert und in der Pfanne ausgebacken. Beliebter war der
Melcher. Er schmeckte gebackenem Gehirn nicht unähnlich das des Öfteren dienstags abends auf
den Tisch kam und ganz hoch im Kurs stand. Der Rogen hatte es schwerer. Meiner Erinnerung nach
wirkten die kleinen Eier immer ein wenig »risselig« ein nicht unbedingt positiv besetztes
Mundgefühl.Das sind zwei Erinnerungen mit Fischeiern die sich mit dem Thema des Journal
Culinaire No. 28 »Eier nicht nur von Fischen« einstellten. Die meisten werden eigene
Erfahrungen mit Fischeiern beisteuern können. Forellen- Lachsforellen- und Lachsrogen mit
ihrer leuchtenden Farbe dürften weithinbekannt sein vielleicht auch noch der Saiblingsrogen.
Tobiko der gelegentlich leuchtend eingefärbte überaus knackige Rogen von Fliegenden Fischen
(Exocoetidae) ist Sushifreunden bekannt. Wenn erst jetzt der »Deutsche Kaviar« genannt wird
hat das etwas mit seiner Bezeichnung zu tun. Er wird von Seehasen gewonnen (Cyclopterus lumpus)
und nimmt erst durch die tiefschwarze Färbung eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit dem Rogen vom
Stör an der die Bezeichnung Kaviar ausschließlich tragen darf.Das Journal Culinaire setzt beim
Erkunden des Kaviars auf bewährte Zugänge erweitert bei dieser Gelegenheit aber auch sein
Streckennetz. Sorgfältigen historischen fachlichen und Herstellungsinformationen stellen wir
zum ersten Mal eine Verkostung zur Seite: Im Januar 2019 versammelten sich neun Personen im
Sensoriklabor der Fachhochschule Münster zur Kaviarverkostung. Methode und Ablauf sind in
diesem Journal Culinaire dokumentiert. In ausgewählten Notizen setzen die Teilnehmer ihre
Geschichte mit Kaviar mit den Erfahrungen aus der systematischen Verkostung in eine produktive
Beziehung.Den thematischen Abschluss des Themas Kaviar hätten die internationalen Bemühungen um
einen Wiederbesatz der europäischen Flüsse mit dem Stör sein sollen. Dazu wird auf die kom