Vergegenwärtigt man sich den gesellschaftspolitischen und ökonomischen Diskurs so ist es
zusehends schwierig dem Begriff Bourgeoisie eine konkrete und spezifische Realität zuzuordnen.
Alle sprechen vom Kapitalismus. Aber sie verwenden den Begriff als handle es sich um einen
Kapitalismus ohne Bourgeoisie. Kurz: Es scheint so als wären wir heutzutage nicht mehr
imstande uns überhaupt vorzustellen dass eine bürgerliche Klasse existiert. Die Ursachen für
dieses Phänomen sind komplex und wurden bis heute kaum untersucht. In seinem Essay Marx und der
abnorme Charme der Bourgeoisie konfrontiert uns Stefano Brugnolo Professor für vergleichende
Literaturwissenschaften an der Universität Pisa mit diesem Problem. Dafür setzt er bei jenem
Autor an bei dem der Bourgeoisie-Begriff bis heute am Besten ausgearbeitet vorliegt: Marx.
Ausgehend von dessen Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (1843 44) sowie von einigen
weiteren Schriften zeigt Brugnolo dass für Marx in der Bourgeoisie etwas gleichzeitig
Großartiges und Schreckliches liegt. Dabei unterstreicht er die Notwendigkeit in Marx nicht
nur einen Theoretiker sondern auch einen großen epischen Autor zu sehen: einen Schriftsteller
der die Ankunft der Moderne in einer bis heute unübertroffenen Art dargestellt hat.