Generationen von DDR-Schülern hatten mit ihm zu tun als im Deutschunterricht Sophokles
Antigone in seiner brillanten Neuübersetzung behandelt wurde: Rudolf Schottlaender (1900-1988).
Heute ist der Philosoph Altphilologe Übersetzer und Publizist weithin unbekannt - zu Unrecht
wie seine Erinnerungen zeigen: Sie erweisen sich als Kaleidoskop der deutschen
Geistesgeschichte im Zeitalter der Extreme (Hobsbawm) in dem Schottlaender eine vermittelnde
Position einnahm mit der er in Ost und West gleichermaßen aneckte.1921 aus der jüdischen
Gemeinde ausgetreten studierte Schottlaender Philosophie in Heidelberg (bei Jaspers) und in
Freiburg im Breisgau (bei Husserl Heidegger und Hartmann) er hatte Kontakt zum George-Kreis
lernte Günther Stern (später: Günther Anders) kennen und heiratete dessen Schwester. Nach der
Promotion in Heidelberg trat er als erster deutscher Proust-Übersetzer in Erscheinung. Nur mit
Glück überstand er die NS-Zeit. Nach 1945 unterrichtete er Latein undGriechisch in Berlin. 1947
auf einen Lehrstuhl für Philosophie in Dresden berufen wurde er bereits zwei Jahre später
wieder entlassen da er sich öffentlich kritisch über die SED-Herrschaft geäußert hatte. Er
kehrte nach West-Berlin zurück wo er erneut als Lehrer tätig war. Aus Sorge vor einer
Verschärfung des Kalten Krieges versuchte er einen Brückenschlag zur DDR wurde als
Kommunistenfreund diffamiert und aus dem Schuldienst entlassen. Das bewog ihn 1959 einem Ruf
als Professor für römische Literatur an die Humboldt-Universität nach Ost-Berlin zu folgen.Die
Erinnerungen von Rudolf Schottlaender werden in unserer Neuausgabe erweitert: um eine Studie
zur Kindespersönlichkeit bei Hemingway Thomas Mann Proust und Sartre einen Essay zum
Antisemitismus bei Luther Marx und Wagner und ein ARD-Interview aus dem Jahr 1979 das
Schottlaenders Resistenz gegenüber politischer Vereinnahmung zeigt und das dazu führte dass er
bis zu seinem Tod 1988 permanent von der Staatssicherheit überwacht wurde.