Lewis Grassic Gibbon (1901-1935) schrieb mit »Wind und Wolkenlicht« die Geschichte von Chris
Guthrie aus »Lied vom Abendrot« fort. Nach dem Tod ihres ersten Mannes heiratet Chris den
Idealisten Robert Colquohoun und zieht mit ihm und ihrem Sohn Ewan in die Kleinstadt Segget wo
Robert eine Pastorenstelle annimmt. Chris hadert mit ihrer Rolle als Pastorenfrau die
Sehnsucht nach der weiten Landschaft ihrer Kindheit die ihr Freiheit und Ungebundenheit
bedeutet lässt sie nicht los. Gibbon entwirft in dem kleinstädtischen Segget eine Galerie
eigenwilliger Charaktere: darunter der frömmelnde Postmeister MacDougall Brown Klatschbase Ag
Moultrie Großbauer Dalziel und nicht zuletzt die Arbeiter der Jutespinnerei die gegen
unumstößlich scheinende Hierarchien aufbegehren.Vor dem Hintergrund des gescheiterten
Generalstreiks 1926 zeichnet Lewis Grassic Gibbon mit liebevoller oft harscher Komik das Bild
einer Gesellschaft im Netz von tradierten Privilegien und Unterdrückung. Die ungewöhnliche
kollektive Erzählstimme treibt den Fluss der Geschichte voran und schaut den Figuren in die
Köpfe. Klatsch Gerüchte und persönliche Animositäten bestimmen in rhythmischen Satzketten im
Original teilweise im schottischen Dialekt das Miteinander und stellen vor allem eines in
Frage: historische Wahrheit. Esther Kinsky bietet in ihrer prachtvollen vielstimmigen
Übersetzung Klänge Farben Derbheiten und zarte Schönheiten des Deutschen auf von denen wir
gar nicht wussten. Es ist diese überwältigende reiche Sprache die im Roman die sozialen und
politischen Spannungen einer Gesellschaft im Wandel überwindet.