Die gebildeten Deutschen des 18. und 19. Jahrhunderts suchten fast alle das "gelobte Land im
duft der sagenferne" (Stefan George) wo es in reiner unverdorbener Klassizität noch ganz
anders zugegangen sei als im modernen Europa wo mit dem vielzitierten Wort von Johann Joachim
Winckelmann "edle Einfalt und stille Größe" vorgeherrscht hätten. Bekannt ist die mit Fernweh
aufgeladene Griechenlandsehnsucht jener Zeit der sich Frank Lisson 2023 in seinem Buch
"Griechentum und deutscher Geist" (Manuscriptum) gewidmet hat. Deutlich älter aber ist der
deutsche Hang zur Latinität die Rom-Idee als treibende Kraft der abendländischen Entwicklung.
Denn ohne Rom hätte es keine Reichsidee keine translatio imperii keinen staufischen "stupor
mundi" keine katholische Kirche und somit auch keinen Protestantismus gegeben keine
klassische deutsche Philologie und keine deutsche Philosophie. Ohne die kirchliche
Überlieferung würde nicht zuletzt auch der deutsche Humanismus undenkbar erscheinen jener Hang
zur Latinität der sich an den heidnischen Elementen der römischen Antike ausrichtete. Frank
Lisson zeigt daß die schwärmerische Sehnsucht mit der rund tausendjährigen Geschichte einer
wirklichen und vielfältigen Prägung korrespondiert mit einer lebensvollen Bezogenheit die am
Ende doch sehr viel mehr war als duftende "sagenferne".