Wie kommt ein deutsches Dorf nach Kirgistan? Im Spätsommer 1988 verlässt die damals
neunjährige Irina Unruh mit ihrer Familie Kirgistan das zu dieser Zeit Teil der Sowjetunion
ist. Zwei Jahrzehnte später kehrt sie erstmals nach Telman zurück. Ihr Heimatdorf liegt im Tal
des Flusses Tschüi und wird von den älteren Einwohner:innen Grünfeld genannt. Denn wie auch die
umliegenden Dörfer wurde es in den 1920er Jahren von geflüchteten deutschen Mennoniten
gegründet. In ihrer Publikation »Where The Poplars Grow« geht Irina Unruh nicht nur ihrer
eigenen Familiengeschichte auf den Grund sondern setzt ihre Vergangenheit auch einfühlsam in
einen historischen Kontext. Ihre dokumentarischen Fotografien erzählen von Verlust Herkunft
und der Suche nach Identität. Auf dem Pfad der Geschichte von Russlanddeutschen erzählt Unruh
ihre persönliche Geschichte von Flucht Vertreibung und Heimat. Unruhs fotografische Reise
lässt erahnen welche Geheimnisse über Generationen verschwiegen wurden welche Erinnerungen
dröhnend laut und welche nur ganz leise sind. Ihre Aufnahmen zeigen weite Landschaften intime
familiäre und freundschaftliche Momente. »Where The Poplars Grow« kombiniert Zeitgeschichte und
Bruchstücke eines Familienalbums. Beim Durchblättern der Seiten wird man sowohl der kollektiven
und individuellen Erinnerungen als auch ihrer Lücken gewahr. Ausgehend von Unruhs Wunsch
Kindheitserinnerungen aufzuspüren und fotografisch festzuhalten eröffnet das Buch aber noch
viele weitere Fragen: nach politischen und familiären Verstrickungen nach Sprache und der nur
vordergründig naiven Frage wie ein deutsches Dorf nach Kirgistan kommt.