Ehe wir die besonderen Religionen der Geschichte betrachten müssen wir uns darüber
verständigen was wir unter der Religion überhaupt zu verstehen haben? Die einfachste Antwort
auf diese Frage hat schon der alte Kirchenvater Lactantius mit der etymologischen Erklärung
gegeben: Religion ist die Gebundenheit an Gott durch das Band der Frömmigkeit Diese Definition
ist ganz richtig nur bedarf sie näherer Bestimmungen um ihre allgemeine Anwendbarkeit zu
erweisen. Bekanntlich gibt es manche Religionen die nicht an einen Gott glauben sondern an
eine Mehrheit von Göttern oder Geistern oder auch an ein unbestimmtes Göttliches eine
Schicksalsmacht oder dgl. Wir werden also damit unsere Definition auch auf diese Religionen
passe den Begriff Gott'' in einem allgemeinen Sinne zu fassen haben sagen wir etwa so: das
woran sich der religiöse Mensch gebunden fühlt ist eine übernatürliche weltbeherrschende
Macht Freilich erhebt sich auch hiergegen sofort wieder der Einwand daß die Götter der
niederen Religionen doch nicht die Welt beherrschen ja daß der Wilde diesen Begriff noch gar
nicht kennt. Allerdings der Begriff Welt in unserem Sinn als Universum setzt schon einen
gebildeten Verstand voraus wie wir ihn in den Anfängen der Menschheit noch nicht annehmen
dürfen. [...] Der Theologe Otto Pfleiderer beschreibt in seinem vorliegenden Werk Religion und
Religionen. Der Verlag der Wissenschaften verlegt historische Literatur bekannter und
unbekannter wissenschaftlicher Autoren. Dem interessierten Leser werden so teilweise längst
nicht mehr verlegte Werke wieder zugängig gemacht. Das vorliegende Buch ist ein unveränderter
Nachdruck der historischen Originalausgabe aus dem Jahr 1906.