Psychiatrie ist die Lehre von den psychischen Krankheiten und deren Behandlung. Ihren
Ausgangspunkt und ihre Grundlage bildet die wissenschaftliche Erkenntnis des Wesens der
Geistesstörungen. In der Lösung dieser Aufgabe waren schon die Ärzte des Altertums so weit
vorgeschritten dass sie das Irresein mit gewissen körperlichen Störungen in Verbindung
brachten namentlich mit dem Fieber und mit Veränderungen der Körpersäfte. Leider gingen diese
bereits zu Lehrgebäuden entwickelten Anschauungen mit dem Zusammenbruch der alten Kultur fast
völlig wieder verloren. Dafür drangen im Mittelalter einerseits scholastisch-philosophische
andererseits religiös-abergläubische Vorstellungen in die Auffassung des Irreseins ein und
verdrängten rasch die vorhandenen Ansätze eines naturwissenschaftlichen Verständnisses. Die
Geistesstörung war nicht mehr Krankheit sondern Werk des Teufels Strafe des Himmels
bisweilen auch göttliche Verzückung. Nicht der Arzt beschäftigte sich mehr mit der Erforschung
und Behandlung des Seelengestörten sondern der Priester suchte ihm die bösen Geister zu
vertreiben das Volk betete ihn als Heiligen an und die Hexenrichter ließen ihn in der
Folterkammer wie auf dem Scheiterhaufen für seine vermeintlichen wahnhaften Sünden büßen. Mit
der Wiedererneuerung der Wissenschaften und insbesondere mit dem Aufschwung der Medizin begann
allmählich auch das Interesse der Ärzte sich wieder den Geisteskranken zuzuwenden. Der Verlag
der Wissenschaften verlegt historische Literatur bekannter und unbekannter wissenschaftlicher
Autoren. Dem interessierten Leser werden so teilweise längst nicht mehr verlegte Werke wieder
zugängig gemacht. Dieses Buch über die Psychiatrie ist ein unveränderter hochwertiger
Nachdruck der Originalausgabe der sechsten Auflage aus dem Jahr 1899. Der vorliegende erste
Band stellt die allgemeine Psychiatrie dar.