Unter dem Label Organizing haben in den letzten Jahren vermehrt anglo-amerikanisch geprägte
Ansätze einer beteiligungs- und konfliktorientierten Organisierungspraxis Einzug in die
deutsche Gewerkschaftsbewegung gehalten. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen
institutionellen Prägung stellt sich die Frage wie der Organizing-Ansatz unter den
Rahmenbedingungen des deutschen Systems industrieller Beziehungen Anwendung finden kann und
welche Chancen Risiken und spezifischen Herausforderungen damit einhergehen. Während das duale
System der Interessenvertretung stark repräsentative auf Ausgleich und Kompromiss angelegte und
zudem stark verrechtlichte Verhandlungssysteme etabliert werden im Rahmen von
Organizing-Prozessen die Beschäftigten selbst zur aktiven Gestaltung der Interessenpolitik im
Betrieb motiviert. Auf Grundlage der Untersuchung eines Organizing-Projekts der IG Metall im
Windkraftanlagenbau wird in der vorliegenden Studie herausgearbeitet wie die Implementierung
desOrganizing-Ansatzes zur beteiligungsorientierten Erweiterung des dualen Systems beitragen
kann. Es zeigt sich dass durch Organizing-Prozesse sowohl die gewerkschaftlichen
Organisationsstrukturen als auch die Betriebsräte in ihrem repräsentativen Politikmodus
herausgefordert werden. Im Rahmen von Organizing-Prozessen etablieren sich betriebliche
Aktivenkreise die neben hauptamtlichen Gewerkschaftssekretären und Betriebsräten aktiv die
Interessenartikulation der Beschäftigten befördern und zugleich betriebspolitische Aktivität
entfalten. Zudem wird über das Aufgreifen betrieblicher Konflikte und der damit einhergehenden
Mobilisierung der Belegschaft die betriebliche Interessenvertretungspraxis um eine konfliktäre
und aktivistische Ausrichtung erweitert.