Die Wahrheit ist oft unwahrscheinlich! Am 2. Juli 1816 zerbrach die auf Grund gelaufene
Fregatte Medusa vor der Küste Afrikas. Da nicht genügend Rettungsboote an Bord waren wurde ein
Floß gezimmert auf dem nicht weniger als 150 Personen untergebracht wurden. Ohne Skrupel
entfernten sich die Rettungsboote und ließen das weitgehend manövrierunfähige Gefährt zurück.
Als das Floß durch Zufall nach zwölf Tagen entdeckt wurde befanden sich nur noch fünfzehn
Personen am Leben. Der vorliegende Romanbericht zweier Überlebender beschreibt eindrucksvoll
den Kampf auf hoher See sowohl gegen den Hunger als auch gegen die Leidensgenossen. Berühmt
wurde der Text nicht nur durch die erstaunlich nüchterne Schilderung von Meuterei und
Kannibalismus sondern auch durch die politische Bedeutung da nicht wenige Zeitgenossen in
diesem Schiffbruch ein Bild des Staatsschiffs sahen. Die Medusa wurde sofort als allégorie
réelle auf die Zustände im nach-revolutionären Frankreich bezogen. Der Bericht lieferte aber
auch den Impuls für eine der imposantesten Bildfindungen der Moderne. Gaben die beiden Autoren
den politischen Misständen durch ihre Beschreibung des Schiffbruchs eine Stimme so gab der
junge Théodore Géricault ihm mit seinem gleichnamigen Monumentalgemälde ein Gesicht. In seinem
Essay geht Jörg Trempler auf die Beziehung zwischen Textquelle und Bildgestalt ein. Er kommt
über die Rezeptionsgeschichte des Gemäldes auf aktuelle Fragen zur Bildpolitik zu sprechen und
zieht eine Parallele zur heutigen Livebildberichterstattung.