Die Beschäftigung mit dem Nachlass seines verstorbenen Vaters ruft im Erzähler von Frank
Witzels autobiografischem Roman Erinnerungen an eine Kindheit wach in der das Fernsehen den
Vorabend erfindet. Eine Kindheit voller Disziplinierungsmaßnahmen wie Hausarrest Tonband- und
Fernsehverbot in der die Eltern ihrem Kind unwissentlich den Schrecken der einst selbst
erlittenen Trennung als unentwegte Drohung weitergeben. Eine Kindheit in der ein Sonntag klar
strukturiert die Kittelschürze für die Hausfrau unabdingbar und die von Erwachsenen erdachte
Mondfahrt Peterchens ein Horrorszenario ist wie das der Mainzer Fastnacht. Wie sehr sich das
individuell Erlebte und kollektiv Erfahrene gegenseitig durchdringen zeigt sich wenn Witzel
gerade nicht die inszenierten Bilder aus dem Familienalbum »Unser Kind« sondern vielmehr die
ausgesonderten Aufnahmen mit der Frage zur Hand nimmt ob nicht sie es sind die Auskunft
darüber geben können wie etwas wirklich gewesen ist. Im unentwegten Zweifel am Wahrheitsgehalt
der eigenen Erinnerungen zeigt sich Frank Witzel einmal mehr als ein so nahbarer wie begnadeter
Erzähler dem es gelingt über das Persönliche die Verfasstheit einer Nachkriegsgesellschaft in
der neuen BRD zu erfassen.