Diese auf 20 Bände angelegte Edition geht auf eine viel beachtete öffentliche Vorlesungsreihe
zurück die Professor Michael Bockemühl Anfang der 1990er Jahren im Saalbau Witten hielt. In
seinen Diavorträgen nimmt der Redner gemäß seinem Credo: Der Künstler ermöglicht was der
Anschauende verwirklicht sein Publikum gleichsam bei der Hand und führt es zu den einzelnen
Kunstwerken hin. Dabei werden weder Spekulationen über ihre möglichen Bedeutungen angestellt
noch abstrakte Theorien über das Sehen geschmiedet vielmehr feiert der Autor ein Fest für das
Auge: Mit Witz und methodischer Konsequenz versteht es der passionierte Wahrnehmungsforscher
die Aufmerksamkeit auf die durch nichts anderes als durch das Kunstwerk eröffneten
Anschauungsmöglichkeiten zu lenken. Die Bände werden herausgegeben von Dr. phil. David
Hornemann v. Laer (Fakultät für Kulturreflexion Studium fundamentale) in Zusammenarbeit mit
Birgit Bockemühl sowie Studierenden an der Universität Witten Herdecke. Band 5 - Cézanne Das
Werk Paul Cézannes als Wahrnehmungsschule: Im chronologischen Durchgang durch verschiedene
Werkphasen führt Bockemühl in seinem hier verschriftlichten Vortrag vor Augen wie Malerei am
Beginn der Moderne Sehgewohnheiten aufbricht und das Verhältnis zur Wirklichkeit neu zu fassen
sucht. Nicht allein wird das Vertraute auf der Bildfläche in einen neuen Erfahrungszusammenhang
gestellt sondern der Prozess der Wahrnehmung selbst rückt in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Bockemühls Ausführungen machen erlebbar wie der Maler Schritt für Schritt alle
Seinsgewissheiten über Bord wirft und den Betrachtern selbst die Verantwortung für die
Konstitution von Gegenstand Wirklichkeit und Bild überlässt. Damit öffnet Cézanne der die
Welt sur le motif anhand winzigster Farbabstufungen durchbuchstabiert und aufgebaut hat die
Wahrnehmung für den über-sinnlichen Prozess des Werdens und Vergehens der die Wirklichkeit
gleichermaßen hervorbringt wie im Übergang hält. Das Entscheidende bei Cézanne ist dass er uns
in seiner Malerei in einen Prozess führt. Aus der Bildlichkeit selbst die konkret gegeben ist
entsteht in dem Atemprozess zwischen Farberfahrung und Dingvorstellung die bildliche
Wirklichkeit. Michael Bockemühl