Die Herausforderung der Erinnerung liegt nicht nur in der Überbrückung der Zeiten oder darin
die Kluft zwischen Damals und Heute zwischen Fremdem und Eigenem zu überbrücken um
Vergangenes zu rekonstruieren und Vergessenes zurückzugewinnen. Die Schwierigkeit der
Erinnerung kann auch darin liegen dass das Vergangene selbst sich der Rückschau entzieht dass
es in sich dunkel und verstellt unerkenn-bar und unerinnerbar ist. Im Vergangenen kann ein
Unerledigtes sein das sich der Erinnerung widersetzt und zugleich nach ihr verlangt.In
verschiedener Weise hat Geschichtsreflexion die Auseinandersetzung mit einem unerledigten
Vergangenen gezeichnet. Kritische Historie will unterdrückten Geschichten Sprache verleihen.
Kulturge-schichte will das unabgegoltene Potential von Neuerungen erschließen die sich nicht
durchsetzen konnten. Psychoanalyse reflektiert die nachträgliche Verfestigung von Erfahrungen
die im Zeitpunkt des Geschehens nicht verstanden und deshalb gar nicht wirklich erlebt werden
konnten. Die Aufarbeitung des Vergangenen soll dem Verdrängten zur Artikulation verhelfen.
Biographische Besinnung kann sich den verschütteten Erlebnissen zuwenden und dem nicht gelebten
Leben Ausdruck verleihen. Zum Vergangenen gehört neben dem Wirklichen das Marginalisierte das
Unentwickelte und Unabgegoltene. Die Seite des Unerledigten und Unterdrückten bedeutet für das
Gedächtnis sowohl eine Gren-ze wie eine Forderung. In ihm liegt die Schwie-rigkeit ebenso wie
die Dringlichkeit des Erinnerns. Dem Vergangenen gerecht werden heißt auch unerfüllte Ansprüche
und abgebrochene Entwicklungen ernst zu nehmen das Vergangene auf seine Zukunft hin zu öffnen.