Die Gattung der so genannten Survivor Testimonies von Überlebenden der Shoah wie sie
mittlerweile zu zehntausenden in den Videoarchiven weltweit vorliegen ist der zentrale
Gegenstand dieses Buches. Als videographierte Artefakte bewahren solche Zeugnisse genozidaler
Erfahrungen die direkte Rede der Zeugen und stellen den dezidiert subjektiven Charakter der
Berichte in den Vordergrund indem sich die Aufnahmen vornehmlich an die menschliche Stimme und
das Antlitz halten. Das Zeugnis und insbesondere das Videozeugnis dokumentiert in diesem Sinne
'die lebendige Erfahrung der im Prozess des 'Geschichte Machens' zugefügten Verletzung' (Paul
Ricoeur). Die 'lebendige Erfahrung' ist jedoch nicht auf die Zeugen beschränkt sondern bezieht
als ein kommunikativer Akt die historisch abständigen Rezipienten als sekundäre Zeugen mit ein.
Das Zeugnisablegen stellt mithin eine dialogische Kommunikation dar die abhängig vom
historischen Index der jeweils rezipierenden Person erneut beginnt und Antworten auf die
Widerfahrnisse einer gewaltsamen Geschichte fordert. Die Komplexität des Phänomens
videographierter Zeugenschaft in seinen ethischen wie methodischen Dimensionen analysieren die
Beiträge des vorliegenden Bandes aus den Perspektiven der Geschichts- und Literaturwissenschaft
der Philosophie und der Psychoanalyse. Die Aufsätze fokussieren sowohl anhand konkreter
Einzelanalysen als auch theoretisch weit gehender Reflexionen die spezifischen Aspekte der
Zeitlichkeit die leiblichen sprachlichen und medialen Dimensionen die im Videozeugnis zu
Tage treten sowie verschiedene Modi des kulturellen und gesellschaftlichen Umgangs mit diesen
Artefakten. Der Band ist einem Geschichtsdenken als einem historischen Eingedenken im Sinne
Walter Benjamins verpflichtet das sich den verstörenden Erinnerungen der Überlebenden
ausliefert und den Weg einer Aufsprengung von Kontinuitätsmustern eines Hörbarwerdens des
Unerhörten sucht.