Humanitäre Interventionen und militärisch gestützter Staatsaufbau werden in der öffentlichen
Debatte inzwischen mit großer Skepsis betrachtet. Es scheint als seien die anfängliche
Euphorie und die hochfliegenden Erwartungen mehr und mehr einer Ernüchterung gewichen.
Genaueres Hinsehen zeigt allerdings dass sich die Kritik in der Regel auf der Ebene von
Umsetzungsproblemen und außenpolitischen Entscheidungsprozessen bewegt. Eine grundsätzliche
Hinterfragung der eigenen Problemlösungskapazitäten und Gestaltungsmacht findet auf Seiten
westlicher Öffentlichkeiten kaum statt. Woher kommt dieses unerschütterliche Grundvertrauen? Um
diese Frage zu beantworten bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit der
Beschaffenheit und der Kontextualisierung unseres Anschauungsvermögens sowie den Ambivalenzen
innerhalb unseres liberalen Denkens und unseres modernen Weltbildes. Diese werden zwar häufig
impliziert bislang jedoch nicht systematisch empirisch nachgewiesen und erfasst. Eben diese
Forschungslücke schließt das vorliegende Buch angeleitet durch einen neuartigen
theoretisch-konzeptionellen Zugang der in erkenntnistheoretischen und
geschichts-philosophischen Überlegungen verankert ist. Es handelt von verzerrter Urteilskraft
und verblendeten Öffentlichkeiten. Unter Rückgriff auf computer- und korpuslinguistische
Verfahren einerseits und qualitative Analyseverfahren andererseits werden Dynamiken und
Mechanismen der Selbsttäuschung und der Selbstillusionierung aufgedeckt. Erst durch das
Mitdenken solcher struktureller Verblendungs- und Verhinderungsmechanismen können gängige
Deutungs- und Denkschemata durchbrochen und blinde Flecken in unserer Auseinandersetzung mit
humanitären militärischen Interventionen und den Grundlagen westlicher Interventionspolitik
aufgedeckt werden.