Leben in der DDR war Leben innerhalb eines Aquariums. Der Wahrnehmung dessen  was sich
außerhalb befand  waren Grenzen gesetzt  hinter denen nur Glaube oder Unglaube an das Gesehene
und Gehörte weiterhalfen. Nie konnte man genau wissen  was real war und was nicht. Durch die
Dicke des Glases verzerrt  bestand die Außenwelt zuerst aus an der Lichteinstrahlung
unterscheidbaren Himmelsrichtungen. Was groß und bunt von dort hereinschaute  um wieder in
unsichtbare Räume davon zu schwimmen  konnte sowohl Verheißung sein oder auch Täuschung - es
gab nie Mangel an Turbulenz im Kopfkino. Auch bestand kaum Anlass  nach dem Woher des Futters
zu fragen  solange es ausreichend einrieselte und gelegentlich auch einen besonders
schmackhaften Happen enthielt. Dass es ein offenes Oben gab mit einem Himmel darüber  wurde
nicht bezweifelt. Es führte unmittelbar in den gefährlichen Bereich der Luft und Jedem war
bekannt  dass gewagte Sprünge über den Rand auf dem Trockenen und meist tödlich endeten. Wenn
Legenden erzählten  dass dort erst die wahre Welt begann und dass es Fische gegeben haben
sollte  denen sich sogar andere  neue Organe zum Atmen und zur Fortbewegung gebildet hatten  so
war es schwer zu glauben. Dennoch hielten Viele selbst das für wahr... Aber: Man konnte auch
unvermutet herausgefischt und in eine Kaltwasserzone umgesiedelt werden. In diesem Fall blieb
nur die Hoffnung  die innere Temperatur halten zu können  bis das Thermometer wieder anstieg.
Vielleicht gibt es nicht viel Neues mehr zu erzählen über das Leben in dem kleinen Land mit
seinen vergessenen Provinzen. Was sich aber immer wieder neu auffinden lässt  ist die Erfahrung
des Einzelnen  die nie um neue Nuancen verlegen ist. In der Geschichte von M.H. Brueckner (geb.
1952) trifft Roman auf Realität und verwebt sich dicht mit ihr  jenseits aller ostalgischen
Romantik oder aber Abrechnung. Verteilt über den ganzen Zeitraum  der dem Aquarium DDR bis zu
seinem Auslaufen beschieden blieb  ergibt sich viel Gelegenheit zu Begegnungen verschiedenster
Art. Dabei dämmert dem Erzähler beim Drehen seiner Runden allmählich  dass das Wesentliche
vielleicht gar nicht im Außerhalb  sondern zuerst im eigenen Inneren zu finden sein könnte.