Auch die letzten Getreuen die Friedrich II. von Preußen noch für 'den Großen' halten
schweigen beschämt wenn es um die Eroberung Schlesiens geht. Hier hat der König ganz offenbar
Unrecht getan. Daran ändert auch die spätere heldenhafte Behauptung in den schlesischen Kriegen
nichts. Er berief sich zwar auf Rechtsgründe und ließ Gutachten ausarbeiten und veröffentlichen
die ihn rechtfertigen sollten. Diese werden - jedenfalls heute - als allzu bemüht und nicht
überzeugend abgetan. Um welche Rechtsgründe geht es dabei im Einzelnen? Schlesien war über
Jahrhunderte ein Streitobjekt zwischen Polen Ungarn und Böhmen. Die Piasten - polnische Könige
und später schlesische Herzöge - arrangierten sich in diesem Umfeld und landeten schließlich
bei Böhmen. Sie schlossen sich dem luxemburgischen König Johann von Böhmen als Vasallen an
d.h. nach den Regeln des Lehnrechts. Dieses mittelalterliche Rechtsinstitut ist nun ein weites
und gewissermaßen vermintes Feld. Es machte den Oberlehnsherrn keinesfalls zum absoluten
Herrscher über den Lehnsträger welcher durchaus eigene Rechte behielt. Konnte er diese Rechte
auch vererben und konnte er sie auch über eine Tochter vererben? Bei solchen Fragen kommt es
auch darauf an ob dem Vasallen das Lehen gewährt wurde oder ob er es immer schon besaß und
sich nur einem König - oder sonstigen Lehnsherrn - angeschlossen hatte. Der Begriff dafür
lautet 'Lehnsauftragung'. Die schlesischen Herzöge hatten ihre Lehen nicht empfangen sondern
nur aufgetragen. Dies konnte ihre Rechtsstellung theoretisch erheblich stärken auch im
Hinblick auf die Vererblichkeit. So begründeten die brandenburgischen Kurfürsten ihren Anspruch
auf die letzten noch piastischen Herzogtümer Liegnitz Brieg und Wohlau in Niederschlesien. Sie
wurden nach dem Aussterben der Piasten von den inzwischen habsburgischen Königen von Böhmen als
angeblich heimgefallen eingezogen. Brandenburg wollte dies nicht hinnehmen. Weiterhin: In
Oberschlesien hatte ein Markgraf von Brandenburg sich mit - zumindest anfänglicher - Zustimmung
des Königs von Böhmen in Jägerndorf angekauft. Sein Nachfolger geriet als in der Region
einflussreicher Protestant dann bei der Gegenreformation zwischen die Fronten des beginnenden
Dreißigjährigen Kriegs. Unter dem Vorwand des Hochverrats wurde er in die Reichsacht getan und
enteignet. Dabei blieb es auch nach dem Westfälischen Frieden obwohl doch fast alle
protestantischen Territorien wieder hergestellt wurden. Diese Ereignisse liegen 1740 schon
lange zurück aber vergessen waren sie nie - weder in Berlin noch in Wien. Über die
brandenburgischen Ansprüche wurde ebenfalls verhandelt: Es wurden Entschädigungen angeboten
nicht angenommen oder wieder zurückgenommen. Dabei wurden auch die brandenburgischen
Anwartschaften auf Jülich und Berg und Ostfriesland einbezogen. Die Frage einer Verjährung oder
Verwirkung spielte eine Rolle und vor allem die Pragmatische Sanktion. War Preußen durch sie
gebunden oder nicht? Diesen im Ganzen unlösbaren Knoten schlägt der König militärisch durch
ohne jedoch die Diskussion zu beenden. Im Gegenteil: Er eröffnet sie erneut durch
juristisch-historische Gutachten auf die repliziert und dann wieder dupliziert wird. Was sind
dabei die Argumente? Dies ist der Gegenstand des vorliegenden Essays. Es ist dabei nicht die
Rede von den deutschen Angriffskriegen gegen Polen von den deutschen Kriegsverbrechen in Polen
von dem neuen Polen von der deutsch-polnischen Freundschaft und der nunmehr endlich für alle
Zeiten hergestellten großen Gerechtigkeit. Dem König eine Art Political Correctness anzudichten
und ihn vor dem Urteil unserer Schulbuchkonferenzen Untersuchungsausschüsse und Ethikräte
passieren zu lassen - diesen Versuch unternimmt der Verfasser durchaus nicht.