»Hirschman gehört zu den Hundertjährigen die aus Klassikerregalen steigen und eine frische
Botschaft anbieten.« Claus Leggewie »Exit Voice and Loyalty« (1970) gehört zu den
Standardwerken des 20. Jahrhunderts. Der Ökonom Albert O. Hirschman hat die Grenzen seines
Faches gesprengt und einen Leitfaden für kollektives Handeln geliefert: Während Exit
Abwanderung bedeutet beschreibt Voice die politische Aktion (Widerspruch Protest
Engagement). Zwischen beiden Polen besteht eine Spannung: Auch Wähler:innen können abwandern
und Kund:innen sich beschweren. Wie passen die Ausreisewellen von DDR-Bürger:innen in dieses
Schema? Hirschman der erst kurz vor dem Mauerfall seine Heimatstadt Berlin wieder besuchte
hat seine Theorien mit großer Freude aktualisiert um die »Wende« zu beschreiben. Beide Texte
der Klassiker von 1970 als auch der Essay von 1992 über das »Schicksal der DDR« werden
erstmals in einem Band publiziert ergänzt um ein Vorwort des Herausgebers Alexander Karschnia
und ein Nachwort von Patrick Eiden-Offe. Albert Otto Hirschman geboren 1915 in Berlin
gestorben 2012 in den USA war Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Hirschman stammte aus
einer bildungsbürgerlichen säkularisierten jüdischen Familie. Im April 1933 flüchtete er aus
Deutschland zunächst nach Paris und London. Er kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg war im
politischen Widerstand gegen die Mussolini-Diktatur in Italien half neben Varian Fry ab 1940
im Emergency Rescue Committee von den Nazis Verfolgte aus Frankreich zu evakuieren. 1941
musste er sich schließlich selbst in die USA absetzen. Nachdem die Vereinigten Staaten den
Achsenmächten den Krieg erklärt hatten diente er in der US-Army. Nach Kriegsende arbeitete er
in der Behörde des Marshallplans und für die Weltbank. Von 1952 bis 1956 war er als
Wirtschaftsberater in Lateinamerika tätig und gilt seitdem als Pionier einer kritischen
Entwicklungspolitik. Er unterrichtete an den Universitäten Yale und Harvard und arbeitete am
Institute for Advanced Study in Princeton. Von 1990 bis 1995 war Hirschman Fellow am
Wissenschaftskolleg zu Berlin.