Blättert man durch "Jardim" den neuen Katalog von Ilka Raupach der ihre jüngsten Holz- und
Papierarbeiten aus dem Amazonasgebiet mit bereits Bekanntem vereint überfällt einen wieder
diese seltsame Faszination. Es ist dies eigentümlich befremdliche Gefühl zwischen
Irritiert-Sein und Staunen das auch Gulliver von seinen Reisen her gekannt haben muss. Nur
dass die Welt die wir bei Raupach betreten eine von überdimensionalen Samenkörnern Spelzen
und anderen fremdartigen Gewächsen ist umrahmt und abgegrenzt an ihren Wänden von
lichtdurchfluteten Blättern auf Papier. Amorphe Formen aus dem Land der Biodiversität mal
abstrakt mal als realistische (Auf)Zeichnung dann wieder einzeln herausgelöst sorgsam
bearbeitet und angeordnet. Ilka Raupach setzt mit "Jardim" Maßstäbe. Und sie tut das bewusst
um ein ausgeklügeltes Spiel mit unserer Vorstellungswelt zu treiben das nicht auf den White
Cube beschränkt bleibt. Raupachs Ausstellungsraum ist die Landschaft selbst in dem die Objekte
als raumgreifendes Treibgut wie von Wind und Wasser inszeniert. Es verwundert kaum dass
Raupachs plastische Naturerzählung ihr ein Stipendium bei einem der spannendsten
interdisziplinären Projekte in dieser Richtung eintrug: LABVERDE ist seit 2013 ein
Residenz-Programm mitten im Regenwald des Amazonas bei dem Künstler Wissenschaftler und
Indigene gemeinsam an neuen Formen der Interaktion mit der Natur arbeiten. Eine weitere
Besonderheit die bei Raupach ganz explizit auffällt: Sie betrachtet ihren Werkstoff mit
ganzheitlichem Blick. Dazu zählt naturgemäß das Abtasten der Zweckmäßigkeit für das eigene
Schaffen ebenso wie die Frage nach einer Übersetzung in die eigene zwingende Formensprache.
Nicht minder bedeutsam ist für Ilka Raupach jedoch auch das Erkunden seiner biologischen oder
historischen Ursachen im Ökosystem bzw. bestimmter Schöpfungsmythen. Und damit wären wir wieder
bei dem Faszinierenden von "Jardim": Raupachs Arbeit ist vor allem und immer wieder eine
Vergleichende. Denn nichts ist groß oder klein per se die Wirkung entsteht nur durch das
Korrelat. Erst wenn wir unseren Körper in Relation zu einem anderen sehen ändern wir unsere
Einschätzung. Das war auch eine der Erkenntnisse Gullivers. Vielleicht nicht die Schlechteste.
Gerade für unseren Umgang mit der Natur.