Dieses Büchlein verdankt sich einer nicht vorhersehbaren Begegnung zweier blinder Menschen an
angrenzenden Tischen in einem Restaurant an der Ostsee im Herbst 2022. Wären wir nicht zufällig
zur selben Zeit am selben Ort gewesen¿ naja Sie wissen schon. So könnte auch das
Zustandekommen dieses »Tagesbuchs« den Stoff liefern den Jürgen Fleger für seine zum
Schmunzeln und Nachdenken verleitenden Anekdoten nutzt. Es wäre aber eine Geschichte des
Gelingens. Und damit stünde sie im Kontrast zu dem was Menschen mit Behinderung ständig
erleben: Barrieren Begrenzungen kleine und große Niederlagen an Alltäglichem die oft
beißende als ungerecht empfundene Begrenzung das Angewiesensein auf die Hilfe anderer. Wer
solche Begebenheiten aus der Perspektive eines Betroffenen aufnimmt und mit feinem Humor
nachzuzeichnen vermag macht seiner Leserschaft gleich mehrere Geschenke. Einmal wird erahnbar
welche Verluste und konkrete Schwierigkeiten eine Behinderung speziell die Erblindung mit
sich bringt. Damit hebt sich der Schleier des dumpfen Entsetzens senkt sich die verunsichernde
Schwelle der Fremdheit werden Begegnung und Annahme leichter. Allein dies macht »Aus dem
Tagebuch eines Blindgängers« für jene empfehlenswert die ¿ privat oder beruflich ¿ Umgang mit
Blinden haben. Dass die Annahme der Behinderung dass das dennoch Machbare bei nicht
betroffenen Mitmenschen stilles Staunen oder lauten Applaus auslöst ist üblich. Was der Autor
dieser autobiografischen Anekdoten seiner Einschränkung abtrotzt ist aber auch nur dann
besonders beachtenswert wenn der ohnmächtige Rückzug in die Hilflosigkeit und privaten Wände
oder gar in ein Heim als das Erwartbarste unterstellt wird. Dies wollen wir aber gerne einer
kindlich naiven Sichtweise überlassen die die Schattenseiten unserer Existenz ausblendet.
Teilhabe und die damit verbundenen Anstrengungen der Betroffenen sollten ebenso wie deren
Ermöglichung durch die Gesellschaft selbstverständlich sein und folglich weder in besonderem
Maße erwähnt noch gelobt werden. Überhaupt nicht selbstverständlich ist hingegen die
Fähigkeit des Autors dem eigenen Schicksal in seinen häufigen und vielfältigen Ausläufern mit
Humor zu begegnen. Hier im Buch finden sich keine grobschlächtigen Grotesken die Anlass zum
Schenkelklopfen bieten wie sie unsere mediale Gegenwart ansonsten so nötig zu haben scheint.
Wohl aber spinnt sich ein feiner Faden der Vergnüglichkeit über das eigene Malheur durch jede
Kurzgeschichte. Der Autor behält so viel Abstand zu dem Unerbetenen Unerwünschten gar
Unangenehmen dass ihm selbst das Schmunzeln darüber gelingt. Damit schenkt Jürgen Fleger nicht
nur Amüsement und kultivierte Kurzweil. Vielmehr öffnet der blinde Autor auch unser aller Augen
und zeigt auf wie der Umgang mit Begrenzungen und Niederlagen gelingen zumindest etwas
leichter ertragen werden kann. So ist die Lektüre Gewinn für uns alle.