In bisherigen Beiträgen des Verfassers zu dieser Enzyklopädie wurden zwar kursorisch das
Entstehen der Slawenkunde behandelt jedoch die Umstände der Herausbildung besonderer
Erscheinungsformen einer zunächst sprachlichen und kulturellen schließlich
ideologisch-weltanschaulichen gewissermaßen pränationalen Identitätssuche in Gestalt von
Panslawismen durch Gelehrte Politiker Publizisten Schriftsteller und andere meist
intellektuelle Vertreter slawischer Bevölkerungen und Bewegungen nur angedeutet. Deshalb werden
nun im vorliegenden Band 20.4 der Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens die Entstehungen
panslawischer Vorstellungen und Zielsetzungen im 19. Jahrhundert gesondert dargestellt.Im
Zusammenhang mit der Herausbildung der Slawenkunde in einigen zum Teil schon eigenständig
entstehenden wissenschaftlichen Disziplinen und mit bestimmten geschichtlich-gesellschaftlichen
Umständen und besonderen kulturellen Bewegungen entstanden im 19. Jahrhundert in einigen
osteuropäischen Regionen verschiedene Panslawismen: der Austroslawismus und der Illyrismus in
der habsburgisch-österreichischen Monarchie der polnische Messianismus im durch Russland
Preußen und Österreich geteilten Polen und der großrussische Panslawismus im zarischen Reich
der sich auch als eine Art europäischer Sendung mit globalem messianischem Anspruch und Auftrag
verstand.Die hier behandelten Panslawismen sind in ihrer Entstehung Dauer und Wirkung
politisch und kulturell nur bedingt oder kaum vergleichbar. Gemeinsam war ihnen lediglich der
wiederum höchst unterschiedlich begründete Anspruch pan- all-slawisch zu sein also slawische
Bevölkerungen und deren Identitäten zu repräsentieren und deren Interessen in bestimmten
europäischen Regionen kulturell rechtlich und politisch zu vertreten. Gemeinsam war ihnen ein
anmaßendes Sendungsbewusstsein dies als jeweils einzige mit einem ethnisch fragwürdig sprach-
und kulturwissenschaftlich elitären teilweise restriktiv-religiös quasi-philosophisch oder
sonstwie begründeten Anspruch zu tun.