Zeit in Bildern Die Fotografien Johann Klingers fügen sich zur zeitgeschichtlichen und
kunsthistorischen Chronik und erzählen Geschichten über Person und Werk des Malers und
Zeichners Roman Scheidl. Kunst als elementares Ereignis. Fotos die Johann Klinger 1987 von
Roman Scheidl in dessen Atelier Sonnenhof gemacht hat erzeugen diesen Eindruck. Man sieht den
Maler inmitten seiner Bilder und aus den Bildern stürzen gemalte Naturgewalten förmlich auf
den für diese Bild gewordenen Naturgewalten verantwortlichen Künstler ein. Kunst als meditative
Übung. 1983 sieht man Scheidl auf Klingers Aufnahmen im Kreis kleinformatiger Arbeiten bei der
Auswahl für eine Ausstellung in der Wiener Albertina. In seinem Atelier in der Boltzmanngasse
sichtet der Künstler Pinselzeichnungen Resultate einer fast rituellen Erprobung eines
grafischen Repertoires. Dieser Methode der Verarbeitung von Motiven ist Scheidl über die
Jahrzehnte hinweg treu geblieben. Kunst als harte Arbeit ist Inhalt anderer Fotografien. Kunst
als oftmals auch den ganzen Körper fordernder Kraftakt im Umgang mit dem Material.
Knochenarbeit wenn man so will. Kunst als Spaß. Als Zentrum der Begegnung des sozialen
Lebens. Kunst als Feier die sich einer breiten Palette von Ausdrucksmitteln - von der
Zeichnung bis zum Tanz - bedient. Johann Klingers Bilder halten auch das Fest fest und fügen
sich in ihrer Summe zu einem vielschichtigen Porträt des Künstlers Roman Scheidl zu einem
Porträt auch von Scheidls Kunst. Bilddokumente aus den Ateliers von Künstlerinnen und Künstlern
können viel zum Verständnis von deren An- und Absichten beitragen als eine andere Art Rahmen
in dem Person und das von dieser Person Geschaffene zu einem neuen Ganzen verschmelzen.
Puristen der Kunst-Wahrnehmung mögen das als unlautere Beeinflussung ablehnen als Verführung
weg vom Wesentlichen eines Kunstwerks das ihrer Meinung nach für sich sprechen sollte. Sollte
es auch. Aber unter uns:Ich kenne niemanden der auf die Person hinter der Kunst (sofern diese
das Interesse geweckt hat) nicht neugierig ist. Viele große Fotografen richteten die Objektive
ganz subjektiv auf Künstler (seltener auf Künstlerinnen). Brassaïs frühe Picasso-Fotografien
sind Ikonen ebenso Henri Cartier-Bressons Giacometti-Bilder und Philippe Halsmans
Inszenierungen mit Salvador Dalí. In Österreich haben diesbezüglich Elfriede Mejchar und
Christian Skrein große Verdienste. Sie fotografierten viele Künstler bei der Arbeit und schufen
wertvolle Zeitdokumente. Johann Klingers Fotografien sind die kongeniale Ergänzung zu Roman
Scheidls Aufzeichnungen in Wort und Bild. Überwiegend stehen diese Bilder in der klassischen
Tradition der Dokumentarfotografie aber natürlich finden sich auch solche die man gemeinhin
als gestellt bezeichnet. In denen sich der Abgebildete der Präsenz des Abbildenden bewusst ist
sich dem Objektiv als Subjekt präsentiert. Ein Bild auf dem Scheidl einen Rinderschädel vor
sein Gesicht hält ist klare Inszenierung. Und als solche Teil einer komplexen Realität in der
die Grenzen zwischen vermeintlich einfach passierender wirklicher Wirklichkeit und deren
bewusster Herstellung ohnedies nicht scharf gezogen werden können. Die Möglichkeit Realität zu
reproduzieren (mit welcher Technik immer) führt zwangsläufig zur Auflösung dieser Grenzen. Mit
den medialen Möglichkeiten des Hier und Jetzt sind diesbezüglich gänzlich neue Wirklichkeiten
entstanden. (Walter Titz)