Beziehen die Naturwissenschaften die Geschichte ihrer eigenen Fachbegriffe zumeist ebenso wenig
in ihre Epistemologie ein wie sich die stark geisteswissenschaftlich geprägte
Begriffsgeschichte lange für Konzepte und Begriffe der Naturwissenschaften interessiert hat so
ergeben sich aus jüngsten Forschungsansätzen der Wissenschaftsgeschichte und den
Kulturwissenschaften interessante neue Verbindungen. Nach einer Vielzahl mikrohistorischer auf
materiale Praxen orientierter Arbeiten zur Wissenschaftsgeschichte und der notwendigen
Destruktion ideengeschichtlicher großer Erzählungen erscheinen nun daran anknüpfende
längerfristige historische Anschlüsse solcher lokalen Geschichten (H.-J. Rheinberger) als
Desiderat. Nimmt indes die Begriffsgeschichte ein solches Desiderat als Herausforderung an so
steht sie vor der Aufgabe einer Reorganisation ihrer Kategorien und Methoden.Die Beiträge von
Vertretern unterschiedlichster Disziplinen dokumentieren die Vielfalt der mit diesem
Unternehmen verbundenen Fragestellungen. Schwerpunkte des Bandes bilden Reflexionen zu Methoden
begriffsgeschichtlicher Forschung und Darstellung zum (historischen) Zusammenhang von
kategorialen und praktischen Verfahren zur Metaphorologie und zum Verhältnis von
Begriffsgeschichte und Wissenschaftsgeschichte. Die methodischen Fragen werden an
begriffsgeschichtlichen Exempeln zu interdisziplinären Schlüsselbegriffen wie Schwelle Grad
Intensität Information Projektion Katalyse Kraft Körper u.a. untersucht. Dabei knüpfen
viele Beiträge an die französische Theorietradition der historischen Epistemologie (Bachelard
Canguilhem Foucault) an nicht zuletzt weil sie den traditionellen Dualismus von Geistes- und
Naturwissenschaften unterlaufen.