Das außergewöhnliche Wirtschaftswachstum in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte in
vielen europäischen Gesellschaften den Glauben an die Überwindung der Armut entstehen lassen.
Auch wenn Armut in dieser Zeit effektiv keineswegs verschwand so verschwand sie in vielen
Ländern doch als Thema weitgehend aus der politischen Debatte - so auch in Frankreich und der
Bundesrepublik Deutschland. Nach 1970 kehrte die Armutsfrage jedoch in beiden Ländern auf die
politische Agenda zurück. Unter dem Schlagwort der neuen Armut wurden jetzt die materiellen
Mangellagen diskutiert die im eigenen wohlhabenden Land existierten und die auch das
wirtschaftliche Wachstum und die Expansion des Sozialstaats nicht beseitigt hatten. Die Studie
untersucht diese Repolitisierung des Armutsthemas. Sie analysiert die Debatte um die sogenannte
neue Armut im Hinblick auf deren Semantik das dort verhandelte Armutsbild und die daran
beteiligten Akteure und deckt damit die Gründe für die politische Wieder- und Neuentdeckung
eines eigentlichen alten aber lange vernachlässigten Themas auf.