Soziale Bewegungen des Abolitionismus und der Transformativen Gerechtigkeit fordern einen neuen
Umgang mit sozialer Devianz und Gewalt jenseits von gegenwärtigen Trends der Strafverschärfung
und Abschreckung. Als einer der wortgewandtesten und scharfsinnigsten Analytiker von
strafrechtlicher Punitivität gilt Friedrich Nietzsche. Er kritisiert die Strafe als
sublimierten Gewalttrieb als Unterwerfungsgestus und als Mechanismus der Entfremdung von der
Gesellschaft. Nietzsche nimmt hiermit viele Argumente der modernen Strafrechtskritik des 20.
Jahrhunderts vorweg. In diesem Essay zeigt Franziska Dübgen die Aktualität seiner Argumente und
untersucht Ansatzpunkte eines alternativen Umgangs mit Verbrechen bei Nietzsche. Im Dialog mit
feministischen und race-kritischen Ansätzen eruiert die Autorin das Potential eines
machtkritischen Ansatzes in der Rechtsphilosophie und skizziert eine Gerechtigkeitskonzeption
die nicht länger auf Vergeltung basiert.