Das Speculum universale des Radulfus Ardens (gest. um 1200) ist die umfassendste und
differenzierteste systematische Gesamtdarstellung der theologischen Ethik im 12. Jahrhundert.
Sie umfasst eine allgemeine Tugendlehre als auch eine breite Entfal-tung der einzelnen Tugenden
und Laster. In der vorliegenden Einführung werden - neben den Einleitungsfragen zum Text und
zur Biografie des Autors - die Hauptthemen des Speculum universale vor dem Hintergrund seiner
Zeit vorgestellt. Dazu gehört sein Bemühen um wissenschaftliche Vollständigkeit sein über den
Unterschied von Gut und Böse hinausgehendes Interesse an differenzierter Abwägung von besser
und schlechter sowie seine erstmals im 12. Jahrhundert vorgenommene Begründung der
Aufgliederung der einzelnen Tugenden auf der Basis einer komplexen Seelenlehre. Dazu gehört
ebenso seine moralpsychologische Analyse der Entstehung von Tugenden und Lastern im Menschen
sowie der dabei förderlichen und hinderlichen Bedingungen und schließlich seine Lehre von den
Komplementärtugenden nach der nicht nur eine Tugend in der Mitte zwischen zwei Lastern steht
sondern jeweils zwei sich ergänzende und ermöglichende Tugenden eine Konzeption die Radulfus
in seiner speziellen Tugendlehre konsequent anwendet.