Vorwort Dieser Band enthält überarbeitete Referate die auf der sechsten Tagung der Fachgruppe
Sozialwissenschaft in der Politischen Akademie Tutzing im März 1994 zum Thema: DDR-Wissenschaft
im Zwiespalt zwischen Forschung und Staatssicherheit gehalten wurden. Die Ergebnisse der
Beiträge stimmen überein bzw. ergänzen sich. Mehr als ein halbes Jahrhundert
nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur hat die in der DDR verbliebenen Menschen
verhängnisvoll geprägt. Akademiker - vorzüglich auf den Gebieten Gesellschaftswissenschaft
Pädagogik Soziologie Ökonomie Jura Philosophie Journalistik Geschichte Psychologie -
wurden dadurch weit stärker getroffen als Techniker oder gar Facharbeiter und Hilfskräfte.
Wissenschaft verstanden die SED-Führer als Instrument zur Erhaltung ihres Machtmonopols.
Akademiker in Leitungspositionen waren fast immer hoch priviligierte Werkzeuge der Partei. Die
Berufskarriere der DDR-Akademiker begründeten weniger Bildung und wissenschaftliche Leistung
als vielmehr treuer Dienst für die SED. Habilitationsschriften Doktorarbeiten Diplom- und
Examensarbeiten die Berichte der wissenschaftlichen Reisekader und die enge Verstrickung von
Akademikern mit dem SED-Geheimdienst belegen eindeutig: Das Gros der DDR-Intelligenz - sofern
seine Vertreter nicht geflohen waren oder in niederen Diensten wirkten - war durch hohe
Privilegien korrumpiert und diente zuverlässig den Parteiführern. So waren z.B. MfS-Juristen
Anstifter für Mordversuche (Beispiel der Fall Welsch) Entführung und andere Verbrechen sie
schrieben dafür Drehbücher promovierten und habilitierten sich mit solchen Leistungen und
setzten schließlich als Führungsoffiziere ihre Wissenschaft in Praxis um. Kommunistische
Ideologie trat an die Stelle von Wissenschaft und wurde unter dem Deckmantel von Wissenschaft
verbreitet. Anders als bei den Naturwissenschaftlern war das Leistungsvermögen der
Partei-Intelligenzgruppen nach der Wende entwertet. Diese SED-Akademiker trugen das
menschenverachtende DDR-System. Heute bilden diese Intellektuellen das entscheidende Wähler-
und Handlungspotential der PDS. Während der Zeit des Hitlerfaschismus war die Intelligenz
gespalten deren beste Denker emigrierten viele kamen in Konzentrationslagern um. Auch aus der
DDR flohen bis zum 13. August 1961 und bis zur Wende im Herbst 1989 die fähigsten Köpfe - weit
mehr als drei Millionen Menschen verließen diesen Staat. Die schlimmste Folge aus vielen
Jahrzehnten verbrecherischer Diktatur ist daß sie die Menschen tief zeichnete ihre
Persönlichkeit verbog verkrüppelte und zerstörte. Ganze Generationen wurden um Lebensglück und
Freiheit betrogen wurden der Arbeit entfremdet und jeder demokratischen Tradition und
Erfahrung beraubt. Genau wissen das die die aus dem Leben in der DDR flohen. Für sie waren die
Diktatur der SED die ständige Unfreiheit und Heuchelei unerträglich. Treffend charakterisierte
die Schriftstellerin Monika Maron (Der Spiegel Nr. 35 1992 S. 136 ff.) die Folgen
kommunistischer Sozialisation: Am wenigsten ertrage ich an meinen ehemaligen
Staatsbürgerschaftsgefährten daß sie glauben alle Welt sei ihnen etwas schuldig insbesondere
schulde man ihnen ihre Würde. Sie haben scheinbar vergessen daß viele von ihnen mit ihrer
Würde bis vor drei Jahren ziemlich leichtfertig umgegangen sind und sie auf die Art eines Tages
verloren haben. Nun denken sie Helmut Kohl und die Treuhand hätten sie gefunden und wollten
sie nur nicht wieder rausrücken. Das Ungewöhnliche an dieser Würde ist daß ihr Wert sich ganz
einfach in Geld ausrechnen läßt. Soviel Würde wie jetzt Geld gebraucht wird kann es in diesem
Land unmöglich gegeben haben sonst sähe es anders aus. Wahrscheinlich meinen sie etwas
anderes: Sie vermissen ihre gewohnte Gleichheit. Als sie noch alle eher wenig als viel eben
nur gleich viel hatten fühlten sie sich offenbar auch gleich wert. Eine der häufigsten Fragen
in diesem Land war: Du glaubst wohl du bist was Besseres?. Was Besseres war niemand und so
schlau wie der war man allemal. In Fragen des Geschmacks und der Bildung war die Behauptung
man lebe in der Diktatur des Proletariats keine Lüge. Und so plötzlich ist das vorbei die
Kränkung ist die tiefste und kann nicht vermieden werden. Solange ich unter ihnen lebte ist
mir die außergewöhnliche Empfindsamkeit meiner ostdeutschen Mitmenschen verborgen geblieben. Im
Gegenteil: Ich bin an ihrer Dumpfheit und Duldsamkeit an ihrer Duckmäuserei und ihrem feigen
Ordnungssinn oft verzweifelt. Eigentlich sollte ich mich freuen daß sie plötzlich eine
Ungerechtigkeit eine Ungerechtigkeit nennen und eine Lüge eine Lüge. Wenn ich aber sehe wie
sie sich empören wie sie wieder und wieder in die Kamera sächseln daß sie sich nicht
verarschen lassen und schon gar nicht verkohlen wenn sie in ihrem ganzen ostdeutschen
Mannesmut jedem der sie vorher nicht gekannt hat und es darum besser weiß den Eindruck
vermitteln müssen einem Aufrührer einem Michael Kohlhaas zu