Die vorliegende Arbeit ist eine Diskursgeschichte der deutschsprachigen Ökonomie in der Zeit
von 1871 bis 1914 in der anhand der Entwicklung des Konzepts der Sozialökonomik verschiedene
miteinander konfligierende Grundauffassungen ökonomischen Denkens in diesem Zeitraum
dargestellt werden. Der Obertitel Eine 'Wissenschaft vom Menschen' ist ein wörtliches Zitat
aus der gedruckten Antrittsvorlesung Max Webers von 1895 mit dem er die Volkswirtschaftslehre
seiner Zeit zu charakterisieren suchte. Dieser Titel dient gleichsam als Chiffre für den
fundamentalen Wandel des Menschenbildes in der Ökonomie wie er sich in jenem Zeitraum
abzuzeichnen begann. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Frage warum eine in Deutschland
vormals dominante kulturwissenschaftlich inspirierte Ökonomik die versuchte historisches und
ökonomisches Denken aufeinander zu beziehen heute kaum mehr gegenwärtig ist. An Hand der
Herausbildung der methodologischen Ansätze von Gustav Schmoller (1838-1917) Carl Menger
(1840-1921) Heinrich Dretzel (1858-1935) und Max Weber (1864-1920) wird geklärt inwieweit
sich das Profil der deutschsprachigen Ökonomik als einer selbständigen Disziplin in ihren
Methodendiskussionen seit den 1870er Jahren schärfen konnte welche einschneidenden Zäsuren
verzeichnet wurden und in welchen neuen Kontext sich das Fach selbst verortet hat. Diese
Autoren markieren als opinion leaders jeweils Positionen die die langsame Emanzipation der
Nationalökonomie aus den Staatswissenschaften bis 1914 anzeigen. Hierbei wurde erstmals
umfassend der wissenschaftliche Nachlaß Max Webers ausgewertet der eine eindeutige Verortung
Webers in dieser Debatte erlaubt. Das Ergebnis des dargelegten Prozesses ist heute evident: Die
kulturwissenschaftlich inspirierte Ökonomik wurde sukzessive von dem Konzept einer
Sozialökonomik verdrängt die sich dann ihrerseits zur Soziologie und zur
Wirtschaftswissenschaft verselbständigte. Diesem Vorgang ist einerseits der Wandel des
Menschenbildes in der Ökonomie - von einem in der praktischen Philosophie der aristotelischen
Tradition verwurzelten zu einem positivistischen - geschuldet. Andererseits zeigt sich die
beiläufige wissenschaftsorganisatorische Konsequenz dieser Entwicklung in der teilweisen
Ausgliederung der Wirtschaftsgeschichte die heute an einem häufig unbequemen Ort zwischen den
Fakultäten plaziert ist aus dem Kanon der Wirtschaftswissenschaften.