Die immer noch zu wenig betrachtete erste Hälfte des 18. Jahrhunderts wird in der deutschen
Kultur- und Literaturgeschichte maßgeblich von Pietismus und Frühaufklärung bestimmt. Ihrer
Darstellung ist jeweils ein Teilband dieser Lyrik-Geschichte gewidmet. Im Kampf beider
Reformbewegungen um Mündigkeit und Selbstbestimmung vorzüglich in Religionssachen (Kant) spielt
die Lyrik eine bedeutende Rolle. Im Pietismus (Bd. 5 I) ist die geistliche Poesie sogar die
einzige extensiv dichterisch gepflegte Gattung und dient als Propagandainstrument und Medium
der mystisch-häretisch inspirierten pietistischen Frömmigkeit. Die Frühaufklärung (Bd. 5 II)
didaktisiert die lyrischen Gattungen um durch sie zentrale Ideen des aus dem Buch der Natur
abgeleiteten Systems natürlich-vernünftiger Welt-Deutung und Gesellschaftsregulierung an ein
großes Laien-Publikum zu vermitteln. Die wichtigsten Lyriker des Zeitraums entwickeln die
Poesie in Adaption und Kritik der new science zum eigenständigen Organ einer - zum Teil
pantheistischen - Weltanschauung und einer liberaleren bürgerlichen Moral. So widerlegt gerade
die deutsche Lyrik der Epoche eindrucksvoll das lang gehegte Vorurteil die Aufklärung sei ein
'Zeitalter ohne Poesie'.